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Theodor Frey

Er war eine markante Persönlichkeit in einer bewegten Zeit

Der Eberbacher Ehrenbürger Theodor Frey wurde am 14. Februar vor 200 Jahren geboren - Initiator des Deutschen Industrie- und Handelstages
Theodor Frey.

Februar 2014
Von Rainer Hofmeyer

An den Eberbacher Ehrenbürger Theodor Frey wird am 14. Februar erinnert, der an diesem Tag vor 200 Jahren in Neustadt an der Weinstraße auf die Welt kam. Frey hat vieles auf örtlicher und regionaler Ebene vorangetrieben und war Initiator des Vorläufers des Deutschen Industrie- und Handelstages. Theodor Freys Leben ist auch ein bewegter Teil der Eberbacher Stadtgeschichte.

In der Stadt hat man ihn gleich drei Mal zu unterschiedlichen Zeiten geehrt. Er wurde Ehrenbürger, eine Straße wurde nach ihm benannt und die Gewerbliche und Kaufmännische Schule ebenso. Jeder hat wohl seinen Namen in Eberbach schon einmal gelesen oder gehört, aber nicht jeder kann ihn so richtig mit allen Facetten seines Wirkens einordnen: Theodor Frey. Eine geschätzte Persönlichkeit der Zeitgeschichte.

In Eberbach und seiner Umgebung hat Frey Richtungsweisendes bewirkt. Dabei ist er nicht einmal hier geboren. Er kam am 14. Februar 1814 in Neustadt an der Haardt zur Welt, damals noch für kurze Zeit französisch, dann zu Bayern gehörende Rheinpfalz. Die Geburtsurkunde des kleinen Theodor war ein französisches Formular.

Vater Georg Frey war Gutsbesitzer und Weinhändler in Neustadt, seit 1936 mit dem Attribut „An der Weinstraße“. Der alte Frey war Miteigentümer des privatisierten nahen Hambacher Schlosses, am 27. Mai 1832 Ort des berühmten Aufmarsches der bürgerlich-liberalen Oppositionellen. Der 18jährige Theodor nahm auch an dem Zug hoch zum Schloss teil, sogar in der ersten Reihe. Aber nicht etwa als politischer Agitator – der junge Frey war Tambour-Major des Neustadter Musik-Vereins.

Das „Hambacher Fest“ gilt als ein initialer Höhepunkt des Aufbruchs in jener Zeit: Die Forderungen nach nationaler Einheit, Freiheit und Volkssouveränität haben hier ihre Wurzeln. Einigkeit und Recht und Freiheit, Deutschland über alles - im Sinne der Überwindung der Kleinstaaterei, eine Bewegung unter der schwarz-rot-goldenen Fahne.

Als die Bayerische Regierung zum ersten Jahrestag des Hambacher Festes, also im Mai 1833, Unruhen im Gebiet um Neustadt befürchtete, schickte sie 1 200 Soldaten. Ohne Anlass misshandelte das Militär fast 500 Bürger. Aufgrund einer Verwechslung fühlte sich Theodor Frey von den Truppen verfolgt und mit Gefängnis bedroht. Er floh zu Verwandten nach Straßburg. Frey hatte Küfer gelernt, einen Beruf, der ihm im Exil zu einem Einkommen verhalf. Selbst im Bierbrauen versuchte sich der junge Mann, fand darin aber keinen großen Gefallen.

Da gab es einen Onkel in Eberbach, den Konrad Knecht aus der Weinhandlung Knecht-Leutz am Alten Markt. Der liebäugelte damit, dass der Neustädter Neffe mal in sein Geschäft eintreten könne und machte Theodor Frey eine erste Offerte. Um für einige Zeit seinem selbst gewählten Exil im französischen Elsass zu entfliehen, machte sich der auf den Weg in den badischen Odenwald.

Es war nur eine kurze Stippvisite bis Ende 1834, in der Frey die teilweise ärmlichen Verhältnisse in der Neckarstadt kennenlernte. Schmutzige Straßen, Misthaufen vor der Haustür, nasser Dung an der Hauswand, der die Gebäude bis in die Obergeschosse vergammeln ließ und ein vom Müll stinkender Stadtgraben, der hin und wieder durch Umleitung eines Mühlbaches zum Neckar hin leergeschwemmt wurde.

Das hielt den an bessere Bedingungen gewohnten Frey nicht lange. Wieder im Elsass, folgte er im Jahre 1835 der Vorladung zur Gerichtsverhandlung in Frankenthal. Frey wurde nicht etwa wegen einer Teilnahme am Hambacher Fest angeklagt, sondern wegen des Vorfalls in Neustadt am Jahrestag des Aufmarsches zum Schloss. Aus der Anklage wegen „Widerstands und der Aufreizung gegen die Staatsbehörde und das Militär“ wurde ein Freispruch. Eine Personenverwechslung eben, ein Irrtum.

1835 zog es Theodor Frey wiederum nach Frankreich. Jetzt lernte er endlich, was ihm so richtig lag: die französische Sprache, Kenntnisse in der „Handelswissenschaft“ und dazu noch Weinbau und speziell Weinhandel. In Chalon an der Loire absolvierte er ein Volontariat bei einem Spediteur, dann in einer Weinhandlung. Mit dem angesparten Lohn und einem Kleinkredit, den ihm ein Freund gewährte, reichte es Frey für eine Erfahrungsreise durch Südfrankreich und nach Paris.

Vier Jahre schon war Theodor Frey wieder in Neustadt, als sich 1842 der Eberbacher Onkel erneut meldete. Der Weinhandel Knecht-Leutz am Alten Markt florierte, aber der Firmeninhaber kränkelte. Frey stieg jetzt mit Freuden in das Geschäft ein, das ihm immer vertrauter wurde. Genauso vertraut wie die junge Dame des Hauses: Nach anderthalb Jahren heiratete Frey seine eigene Kusine Maria Susanna Knecht. Die Mitgift der Frau wurde in die künftige gemeinsame Handelsgesellschaft Knecht-Leutz-Frey eingebracht, immerhin 15 000 Gulden.

Für den Eberbacher Gemeinderat war der finanzstarke Neubürger sehr willkommen. Freys Antrag auf Eberbacher Bürgerrecht war also nur eine Formsache. Den damals für neue Einwohner noch in natura abzuliefernden ledernen Feuereimer zahlte er wohl aus der Westentasche. Ab 5. Oktober 1844 war Theodor Frey Bürger Eberbachs. Die Familie Knecht-Leutz-Frey gehörte zu den Reichsten der Stadt.

1848 gärte es in Baden. Mit seinem politisch gemäßigten Großherzog Leopold hatte das Land eine relativ liberale Verfassung; im Landtag hatte die Liberalen sogar die Mehrheit. Vielleicht gerade deswegen fielen radikaldemokratische Ideen hier auf fruchtbaren Boden. Der Funke der französischen Februarrevolution sprang über die Grenze. In Mannheim kam es Ende Februar 1848 zu einer „Volksversammlung“. Pressefreiheit und Gewaltenteilung, Schwurgerichte und die Gewährleistung persönlicher Freiheitsrechte wurden gefordert. Darüber hinaus wurden die Bestrebungen nach deutscher Einheit immer stärker.

Im kleinen Eberbach und der Umgebung blieb es folglich auch nicht ganz ruhig. Hier gab es wie überall fortschrittliche Kräfte, die einen eher radikal-demokratisch, die anderen liberal mit einem weiteren Wunsch nach einem Landesherrn. Im Volk freute man sich inzwischen schon über die eigenmächtig eröffnete freie Jagd für freie Bürger in den Wäldern der Landesherren von Leiningen und Erbach-Fürstenau. Standesherrliche Jagdhütten gingen in Flammen auf, die Förster der Fürsten bezogen manche Tracht Prügel der wildernden Odenwälder. Die erschreckte Eberbacher Bourgeoisie versuchte, mit bewaffneten Bürgerpatrouillen Ruhe und Ordnung zu halten.

Während der liberal-demokratische Kaufmann Frey meist die aufständischen Gemüter der Stadt beschwichtigte, versuchte sein Gegenpart, der „freie Turner“ und Schmied Hiob Daniel Backfisch, die Eberbacher aufzuwiegeln. Beide waren Hauptleute der Bürgerwehr. Backfisch wollte am 24. April 1848 mit der 741 Mann starken Truppe neckarabwärts ziehen und sich einem Sinsheimer Revolutionstrupp anschließen, der in Heidelberg die Republik ausrufen wollte. Frey verhinderte den Ausmarsch.

Aber die Lunte des Umsturzes im Lande glomm langsam weiter. Theodor Frey wurde im Februar 1849 Vorsitzender des demokratischen Volksvereins. Mitte Mai 1849 nahm Frey an der Offenburger Versammlung teil, dem Landeskongress der Volksvereine. Offenburg war das Zentrum der demokratischen Bewegung. Ein Jahr zuvor war dort erstmals öffentlich eine Republik gefordert worden: „Fort mit den Fürsten und ihrem Anhang. Wir wollen uns selbst regieren, einig und wohlfeil“.

Nachdem der liberale Politiker Lorenz Brentano die „provisorische Badische Landesregierung“ ausgerufen hatte, wurde Frey am 17. Mai 1849 zum Zivilkommissär für Eberbach bestimmt. Er hatte die Volksbewaffnung zu organisieren. Am 3. Juni 1849 wurde Frey von den Eberbachern als Vertreter der Stadt in die „Verfassunggebende Versammlung für Baden“ gewählt. Es heißt, Frey habe der aufmüpfigen Zusammenkunft nur widerwillig beigewohnt und zumeist gegen radikale Anträge gestimmt. Theodor Frey war ohnehin kein Revolutionär im umstürzlerischen Sinne. Er war kein Mann wie die Zeitgenossen Friedrich Hecker und Gustav Struve, die die Monarchie mit Waffengewalt beseitigen und die Republik ausrufen wollten.

Die Umwälzung, die Frey anstrebte, war die Überwindung der feudalen und kleinstaaterischen Strukturen. Das hieß: Abschaffung der adeligen Vorrechte, Schaffung der deutsche Einheit, allgemeines Wahlrecht, Förderung von Handel und Gewerbe, Wegfall einengender Handelssteuern und Zollschranken, freier Waren- und Personenverkehr im Land, deutsche Zollunion. Selbst auf dem Neckar musste seinerzeit noch Zoll gezahlt werden. Freys spätere Forderung nach einem Allgemeinen Deutschen Handelstag sagt alles über seine Anliegen. Dies war die Krönung seiner Bemühungen.

Mit diesen fortschrittlichen Ideen war Frey nicht ganz uneigennützig. Er war ja selbst Händler. Auf der Eberbacher Ebene gelang es ihm, Aufwiegler wie Hiob Daniel Backfisch zu beschwichtigen und die bürgerliche Ordnung einigermaßen zu halten. Die rhetorische Konkurrenz der aufmüpfigen Volksschullehrer hielt er aus dem Volksverein heraus. Frey als Vorsitzender bestimmte die Diktion der Aufrufe und Forderungen.

Die Truppen des Deutschen Bundes schlugen landesweit die Revolution nieder.
Am 20. Juni 1849 zogen die reaktionären Militärs auch in Eberbach ein. Die rund 4 000 Einwohner große Stadt litt unter den einquartierten insgesamt 25 000 Soldaten. Raub, Plünderung, Gewalttaten griffen um sich. Die Speisekammern wurden leergefressen. Das Standrecht wurde ausgerufen. Die beiden exponierten Eberbacher Führer Theodor Frey und Hiob Daniel Backfisch flüchteten vor dem reaktionären Standgericht. Frey entkam nach Frankreich.

Frey und Backfisch standen jetzt auf der Fahndungsliste der großherzoglichen Regierung, wegen Hochverrats. In Abwesenheit wurde Frey im April 1850 vor dem Rastatter Hofgericht der Prozess gemacht. Der Angeklagte hatte einen ausgezeichneten Anwalt. Der Advokat erreichte einen Freispruch, unter anderem mit der Verteidigung, Frey habe ja im Juni 1849 gewünscht, der Großherzog möge wieder ins Land kommen und die Regierung übernehmen.
Frey kehrte ins friedlich gewordene Eberbach zurück und erhielt noch 1850 seinen badischen Pass wieder. Fürderhin lebte Frey das Leben eines wohlhabenden Eberbacher Honoratioren. Er residierte im großen Handelshaus Knecht-Leutz-Frey am Alten Markt. Den deutschen Wein bezog Frey aus seinen Gütern bei Neustadt.

Aber Eberbach und der Odenwald waren von der Welt abgeschnitten. Frey arbeitete in verschiedenen Eisenbahnkomitees mit, eine Petition mit der Forderung nach einer Neckartalbahn ging auf den Weg. Erfolgreich - die Strecke wurde 1879 vollendet, ging auch über hessisches Gebiet. Das Neckartal stand jetzt auf dem Fahrplan des Fortschrittes. Eberbachs Handel und Wandel dampften in eine erfolgreiche Zeit.

Frey hat auch die Geschichte des gesamtdeutschen Handels eingeleitet: Am 14. Mai 1860 initiierte er auf dem Badischen Handelstag in Heidelberg einen Allgemeinen Deutschen Handelstag. Ein Jahr darauf eröffnete dieser zum ersten Mal in der Aula der Heidelberger Universität. Heute ist das der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHT), ein mächtiger Faktor im wirtschaftlichen Gefüge.

Im Eberbacher Gemeinderat war Theodor Frey ab 1861 vertreten. Später fungierte er auch Vorsitzender in der Versammlung des badischen Kreises Mosbach, dem Eberbach zugeordnet worden war. Von 1867 bis 1880 gehörte Frey als Abgeordneter der Nationalliberalen der zweiten Kammer des badischen Landtags an. Am 5. März 1865 hat er den Eberbacher Gewerbeverein ins Leben gerufen, nachdem Gewerbefreiheit erreicht war.

Im September des gleichen Jahres war Frey Mitbegründer des Vorschussvereins Eberbach; jetzt ist das die Volksbank. 1865 betrieb er die Gründung einer Höheren Töchterschule in Eberbach. Der Eberbacher Verschönerungsvereins von 1871, zur Förderung des Fremdenverkehrs, geht auf seine Initiative zurück; heute Bürger- und Heimatverein genannt. 1888 gründete Frey in Eberbach eine Sektion des Odenwaldklubs.

Eberbach ehrte Theodor Frey zu seinem 80. Geburtstag mit der höchsten städtischen Würde: Er wurde 1894 zum Ehrenbürger ernannt. Frey hatte vieles in seinem bürgerlichen, ganz und gar nicht umstürzlerischen Leben erreicht. Zur Feier ihrer Goldenen Hochzeit bekamen er und seine Frau Maria Susanna im Frühjahr 1895 sogar eine private Audienz beim großherzoglichen Paar in Karlsruhe. Eines jedoch ist Frey nicht gelungen: 1858 war er beim ersten Versuch der Gründung einer Freiwilligen Feuerwehr in Eberbach beteiligt - erfolglos. Am 21. April 1897 starb Theodor Frey in Eberbach im Alter von 83 Jahren.

INFO. Basismaterial: Roland Vetter: Theodor Frey, Sein Leben und seine Zeit, 1986; Eberbacher Geschichtsblatt 1999, Zwei Männer, zwei Wege.

Das Frey'sche Anwesen am Alten Markt.

Hambacher Fest 1832.

Erster Deutscher Handelstag in der Aula der Universität Heidelberg.

Repros: Rainer Hofmeyer
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