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Goldenes Buch der Stadt

Zwei Bundeskanzler stehen drin

Das Goldene Buch der Stadt Eberbach wurde 1949 neu angelegt - Altes Buch von 1934 schien verschwunden - Der alte Einband ist aber noch da

Bürgermeister Peter Reichert mit dem Goldenen Buch der Stadt.

Januar 2013
Von Rainer Hofmeyer

Für viele Bürgerinnen und Bürger ist es eine Erinnerung an die Zeit nach dem Krieg bis heute. Das „Ehrenbuch der Stadt Eberbach“ hat so manchen interessanten und prominenten Eintrag. Und ein winziges Zeichen auf dem Deckel, das man wohl jahrzehntelang übersehen hatte.

Es gab schon angeblich so etwas wie ein Buch vor dem Buch. Nach dem Krieg schien es verschwunden. Es wurde kolportiert, ein amerikanischer Soldat habe Eberbachs Goldenes Buch als Beutestück mitgenommen. Oder es sei wegen eines aufgemalten Hakenkreuzes vor der Übergabe der Stadt an die Besatzer tunlichst vernichtet worden. Es hieß, nach dem Krieg habe man deshalb ein neues „Ehrenbuch“ angelegt.

Aber die Geschichte des „neuen“ Buches muss jetzt umgeschrieben werden. Denn Recherchen der Eberbacher Zeitung führten zu einem genauen Blick mit dem Vergrößerungsglas, um überraschend festzustellen: Das neue Goldene Buch ist das alte. Das Hakenkreuz ist noch original drauf eingeprägt. Kaum größer als ein Stecknadelkopf, so klein also, dass es offenbar vier Bürgermeister übersehen haben.

Ein Goldenes Buch war den Eberbacher Gemeinderäten im April 1934 so viel wert, dass sie deswegen in einem Ratsbeschluss ein Jahr auf ihre Aufwandsentschädigungen verzichteten. Der Vorgang findet sich im Stadtarchiv. Über dem Stadtwappen mit Eber eine Krone mit drei Türmen, der mittlere mit Hakenkreuz, dazu eine angedeutete Stadtfahne: So sollte das Schmuckstück geziert sein. Das Stuttgarter Kunsthaus Schaller lieferte das Werk, das „Ehrenbuch der Stadt Eberbach“. Wer sich wann in der Zeit nach 1934 bis Kriegsende in das Goldene Buch eingetragen hat, weiß heute niemand mehr.

Man ersehnte den Neuanfang nach dem Krieg. Da hieß der erste Eberbacher Bürgermeister Kurt Nenninger. Und der wollte 1949 mit seinen Stadträten wieder ein Buch für die Ehrengäste der Stadt. Aber es gab keine Neubestellung, wie lange vermutet wurde. Der lederne Deckel wurde vom alten Buch übernommen. 

Ohne einen Blick in die alte Bestellung von 1934 und nur beim bloßen Hingucken auf den Einband konnte man selbst 1949 nicht ahnen, dass es da am mittleren Turm ein Hakenkreuz geben soll - für Verhältnisse im Dritten Reich ist das Zeichen fast schon versteckt. Sonst hätte man den Deckel ganz bestimmt nicht verwendet. Schließlich standEberbach 1949 noch unter amerikanischem Besatzungsrecht. 

Die alten Seiten riss man wohl raus, ein neuer Innenteil wurde eingearbeitet. Der Buchbinder zeichnete mit „KHE 49“. Das „E“ spricht für Eberbach, die Zahl für das Jahr. Das ganze Stadtparlament des neuen demokratischen Eberbach verewigte sich sogleich auf den noch jungen, ausgetauschten Buchseiten. Dabei schrieb auch der spätere Eberbacher Ehrenbürger Karl Emig seinen Namen ein. Zuerst noch als einfaches Gemeinderatsmitglied. Anschließend steht er noch ein paar Mal im Buch. Unter anderem, als ihm das Bundesverdienstkreuz verliehen wurde.

Das neue Goldene Buch Eberbach war anfänglich ein Spiegelbild der Nachkriegszeit. Mit die ersten Eintragungen kritzelten die aus russischer Gefangenschaft in ihre Eberbacher Heimat entlassenen Spätheimkehrer. Am 5. Oktober 1953 schrieb der in der Neckarstadt wohl bekannte Georg Kinzler mit schwacher Hand seinen Namen. Bis zum9. Juni 1955 kamen die Gefangenen aus dem Osten zurück. Jeder Zurückgekommene findet sich im Ehrenbuch wieder. Ein Stück kollektives Eberbacher Schicksal. 

Von den anfangs mehr menschlichen Hintergründen der Eintragungen im „Ehrenbuch“ wechselten die Signaturen später zu Politikern und erfolgreichen Eberbacher Sportlern. Auf Bürgermeister Nenninger folgten Schmeißer, Schlesinger und Martin. Ehrenbürger Horst Schlesinger erfuhr inzwischen, dass er in seiner Amtszeit den alten 1934er Buchdeckel in Obhut hatte, sieht diesen Umstand aber entspannt als historischen Vorgang, auf den er jetzt im Ruhestand auch keinen Einfluss mehr habe. 

Nicht nur deutsche Fügungen finden im Eberbacher Buch ihren Ausdruck. Als sich am 18. August 1955 eine jugoslawische Handballmannschaft eintrug, da war das schon ein kleines Zeichen für eine leichte Ost-West-Entspannung. Aber nicht alle Sportler aus dieser Studentenauswahl reisten wieder zurück: Die Eberbacher Handball-Gesellschaft (HGE) freute sich während der nächsten Dekade über den hervorragenden halblinken Stürmer Stefan Lakatos, der der ersten Mannschaft mit anfangs noch holprigem Deutsch („Wo ist die Ball?“) die höhere Spieltaktik beibrachte.

Eine Delegation indonesischer Bürgermeister war am 14. Oktober 1955 Gast der Stadt Eberbach und hinterließ ihre schriftlichen Spuren im Eberbacher Rathaus. Bis 1958 waren es noch mehr oder weniger Unbekannte, die Eberbach besuchten. Im Oktober des Jahres rollte die Begum Agha Khan im Rolls Royce vor dem Kurhaus vor. Sie schrieb sich aber nur ins eigene Goldene Buch des Kurhauses ein. Sein damaliger Wirt, Karl Oberdorfer, schnappte sich 1967 auch exklusiv die Unterschrift von Fußball-Bundestrainer Sepp Herberger. 

Die 1960er-Jahre bedeuteten deutsch-französische Aussöhnung. So belegt das Goldene Buch die Städtepartnerschaft mit Thonon les Bains.Die Treffen der französischen Gemeinderäte mit ihren Eberbacher Amtsfreunden sind ab der ersten Zusammenkunft Ende April 1961 umfassend dokumentiert. Eberbach und Thonon waren der offiziellen Aussöhnung der beiden Völker um fast zwei Jahre voraus.

Das absolute Schmuckstück in Eberbachs Ehrenbuch dürfte bis heute die Signatur von Alt-Bundeskanzler Konrad Adenauer sein. Eine ganze Seite hielt man für ihn frei, als er am 3. April 1964 sein markantes Auf-und Ab in Eberbach hinterließ. Der Alte war ein begnadeter Wahlkämpfer und warb nach seiner Zeit als Kabinett-Chef im Kurhaus für die CDU-Abgeordneten Fritz Baier und Karl Emig. 

Schon etwas weniger Platz als sein Vor-Vorgänger nahm am 28. März 1968 der damalige Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger für sich in Anspruch. Er kam noch während seiner Amtszeit. Auch dieser Abstecher an den Neckar hatte als Anlass eine CDU-Wahlveranstaltung, diesmal auf dem Leopoldsplatz. Zusammen mit dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Hans Filbinger bückte sich der Hüne über das Eberbacher Ehrenbuch. Das war dann schon sein zweiter Eintrag - er unterschrieb Jahre zuvor auch als Landeschef.

Wichtige lokale und überregionale Ereignisse zeichnen sich auch auf den behüteten Eberbacher Seiten ab. Der Start der elektrischen Neckartalbahn am 21. September 1972 und die Freigabe der Umgehung L 2311 an der Itter im Dezember 1999 haben ihren immerwährenden Eintrag gefunden. Die Ehrengäste unterschrieben gerne.

In den letzten Jahren waren die Eberbacher oft auch selbst ihre Eingeladenen. Die Eberbacher Ski-Olympiasiegerin Katja Seitzinger und der „Iron Man“ Timo Bracht gaben aus so manchem Anlass so manches Autogramm. In der Summe war recht wenig Prominenz in Eberbach. Die Einträge im Goldenen Buch haben bis jetzt noch nicht einmal die Hälfte der vorgesehenen Seiten erreicht. 

Eberbachs neuer Bürgermeister Peter Reichert hat von dem kleinen Hakenkreuz auch erst während unserer Recherchen der erfahren. Wie er mit dem Buchdeckel von 1934 weiter verfahren wird, wird er noch entscheiden. Immerhin umschließt das Leder so etliches an authentischer Eberbacher Nachkriegsgeschichte.

INFO. Der erste Eberbacher Nachkriegsbürgermeister Kurt Nenninger wurde 1954 von Dr. Hermann Schmeißer abgelöst. Nenninger starb im August 1997. Seine Frau Wilhelmine verstarb am 18. Dezember 2012 im Alter von 104 Jahren als bis dahin älteste Eberbacherin. 


Hinweis: Der Artikel über das Goldene Buch war anfangs nur als Beschreibung seines jetzigen Zustandes gedacht. Bis sich herausstellte, dass hinter dem vermeintlich neuen Buch eigentlich das alte von 1934 steckt. Siehe: "Da fehlte was im Stadtarchiv"



Da fehlte was im Stadtarchiv

Wenn man im Eberbacher Stadtarchiv nachfragt, bekommt man stets eine profunde Antwort. Bei der Recherche zum Goldenen Buch hatte Stadtarchivar Dr. Rüdiger Lenz recht schnell die Bestellung von 1934 bei der Hand. Und da stand der Hinweis auf das Hakenkreuz am mittleren Turm einer kleinen Krone. In den Archivalien findet sich aber nur eine verbale Beschreibung des Einbandes, keine Zeichnung oder ein Foto. Nach der Bestellung für das Buch von 1949 wurde erfolglos gesucht. Die fehlte im Stadtarchiv.

Verblüffend war jedoch, dass die Angabe in der Bestellung von 1934 genau dem Aussehen des jetzigen Buchs entsprach.Der einzige Schluss konnte am Ende nur sein, dass es eine solche neue Order 1949 nicht gab und das Hakenkreuz vom alten Einband entfernt worden war.

Da musste eine Detail-Auswertung herhalten, denn ein Hakenkreuz ist auf den ersten Blick nicht zu sehen. Was aber eigentlich nicht zu vermuten war: 
Das Zeichen ist heute noch original vorhanden. Erst eine starke Vergrößerung brachte es zum Vorschein.

Auf dem jetzigen Buch: Das Hakenkreuz ist in der Mitte noch zu erkennen.

Alt-Bundeskanzler Konrad Adenauer kam 1964 in die Stadt.

Städtepartnerschaft mit Thonon.

Fotos: Rainer Hofmeyer
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