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Dreißigjähriger Krieg

Auch Eberbach plagte der Dreißigjährige Krieg

Die kurpfälzische Stadt wurde immer wieder von Truppen heimgesucht - Kaiserlich-bayrisch, schwedisch, französisch -  Viele Tote durch Epidemien

Panorama von Eberbach 1619.

12. Mai 2018
Von Rainer Hofmeyer

Auch die kleine Stadt Eberbach am Neckarknie hat den Dreißigjährigen Krieg mitgemacht. Große Schlachten um die Stadt gab es nicht, die fanden andernorts in der Nähe statt. Es gab jedoch fast durchgehend Besatzungen unterschiedlicher Kriegsparteien. Bayrisch, schwedisch, kaiserlich, französisch. Die Truppen wurden in Eberbach einquartiert, haben sich auf Kosten der Bevölkerung durchgefressen und durchgesoffen. Es gab auch Plünderungen, so eben im Durchmarsch. Die kleine Kirche am Oberen Tor wurde verwüstet, das Blei aus den Fenstern geklaut.

Einmal wurden städtische Dokumente über die Straßen verstreut, wurden wertvolle Gegenstände geklaut, gab es einen gewaltsamen Angriff auf den Ratschreiber - der hat die Attacke nachweislich überstanden.

Es wurde kein Eberbacher Bürger in der Stadt bei Kriegshandlungen getötet, zumindest ist davon nichts berichtet. Krankheitsepidemien mit vielen Toten gab es dennoch.

Die Gebäude blieben weitgehend heil. Selbst die Eberbacher Archivalien haben die Kriegszeit 1618 bis 1648 überstanden und zeugen heute im Stadtarchiv noch von den Geschehnissen. Die Zugehörigkeit der Eberbacher zur Obrigkeit blieb letztlich auch unangetastet: War die Stadt anfangs des Krieges kurpfälzisch, war sie es am Ende auch wieder.
Im 17. Jahrhundert war Eberbach eine kurpfälzische Kellerei im Oberbezirk Mosbach, „… eine feine Statt, ligt am Neckher. Hatt einen Pfarrherrn und Diacon alda.“ Zur Eberbacher Zent gehörten Wimmersbach, Rockenau, Pleutersbach, Igelsbach, Lindach, Neckargerach, Schollbrunn, Weisbach, Mülben, Strümpfelbrunn, Katzenbach, Dielbach, Mülben, Strümpfelbrunn, Friedrichsdorf, Unter-Sensbach, Hebstahl, Fahrenbach und Trienz sowie Krösselbach.

Eberbach war eine Stadt der Handwerker und Händler. Die landwirtschaftliche Nutzfläche war verschwindend gering. Außerhalb hatte fast jede Familie ein Stück Land mit Vieh, Schweinen, Hühnern, Gänsen oder Enten. Am Neckar legten die Frachtschiffe an. Der riesige Waldbestand konnte verwertet werden - Holz war seinerzeit ein universeller Baustoff. Eberbach war eine Stadt der vielen Schiffer und sogar elf gewerbsmäßiger Fischer. Will heißen: Am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges 1618 war man hier noch recht gut gegen Schicksalsschläge abgesichert. 

Die Eberbacher waren stolz darauf, dass ihr Pfalzgraf Friedrich V. mit Übernahme der böhmischen Königswürde nunmehr zu den führenden Fürsten im Deutschen Reich zählte. Dabei hätte sich für die Stadt schon zehn Jahre vorher angedeutet, dass kriegerische Auseinandersetzungen bevorstanden und es auch für sie etwas kosten würde. Schließlich musste die Stadtkasse der Regierung der Kurpfalz mehrere Male ein Darlehn auszahlen - die 1608 gegründete Protestantische Union hatte ein 1200 Mann starkes Truppenkontingent zu unterhalten. Einmal 2929 und dann nochmals 726 Gulden drückte die Stadt ab. Ab 1621 gab es dafür keine Zinsen mehr. Und das Kapital war letztlich komplett futsch.

Vom Dreißigjährigen Krieg, ausgelöst durch den Prager Fenstersturz am 23. Mai 1618, dem Aufstand der protestantischen böhmischen Stände und dem Beginn auch eines Religionskrieges, hatten die Eberbacher jahrelang allenfalls gehört. Erst 1621 erreichten die Auseinandersetzungen den unteren Neckar. Die protestantische Kurpfalz wurde von der Katholischen Liga eingenommen. Generalleutnant Graf von Tilly befehligte das katholische Heer.
Am 21. November 1621 marschierten die bayerischen Truppen der Liga über Beerfelden in den Amtsbezirk Mosbach ein. Eberbach wurde als erstes besetzt - ohne Kriegshandlungen.

Offenbar genügten Drohungen, um die Tore zu öffnen. Die Hauptmacht der Soldaten zog über Zwingenberg, Neckargerach, Lohrbach nach Mosbach weiter. Ein Fähnlein mit rund 300 Soldaten wurde in Eberbach einquartiert. Auch in Hirschhorn kam eine Kompagnie unter. Die Soldaten mussten von der Bevölkerung versorgt werden. Die heimischen Bäcker waren nicht in der Lage, die Garnison zu verpflegen. Aus Mosbach musste Brot herangekarrt werden.
Der Gegenschlag der Kurpfälzer Truppen Ende April 1622 brachte nur eine kurze Entlastung für Eberbach. Denn Tilly eroberte mit seinem katholischen Heer die Region zurück. Als 1623 die Armee der Liga abzog, blieben 20 Soldaten als Besatzung zurück. Die Kriegskosten für die Jahre 1621 bis 1623 bezifferte Bürgermeister John Gustav Weiss später auf 17000 Gulden. 1622 starben in manchen Monaten im Schnitt 15 Menschen in der Stadt an Hungertyphus.

1623 wurde Eberbach kurbayrisch. Heinrich von Metternich war Statthalter über die pfälzischen Ämter Heidelberg und Mosbach. Jetzt kamen auch katholische Geistliche in die Gegend. Eberbach versuchte jetzt immer wieder, sich seine früheren kaiserlichen Privilegien durch den neuen bayerischen Landesherrn bestätigen zu lassen - erfolglos. So zogen die Eberbacher Jahre unter der weiß-blauen Fahne dahin. 1630 wurde in der bayrischen Unterpfalz zum friedlichsten Jahr des ganzen Dreißigjährigen Krieges.

Schon 1631 hatte der relative Friede ein Ende. König Gustav II. Adolf von Schweden war auf protestantischer Seite in den Krieg eingetreten. Im Dezember sind die schwedischen Reiter in die Städte Eberbach und Mosbach vorgerückt, haben sie zu Kontributionen gezwungen, die katholischen Geistlichen gefangen genommen und die Katholiken ausgeplündert. Der Eberbacher Keller schlug sich sofort auf die schwedische Seite. In der Stadt wurden 40 schwedische Reiter einquartiert. Sie hatte am Neckartor eine Wachhütte und eine Wachstation auf dem Marktplatz.

Die Besatzer pressten den Einwohnern 2500 Gulden ab. Dem Kaiser wohlgesinnten Hausbesitzer Bettendorf wurde sein Anwesen abgenommen und Georg Weller auf zehn Jahre verliehen. Weller war den Schweden wohl gesonnen. Doch lange konnte er sich nicht des Besitzes erfreuen. Denn schon 1634 wechselte in Eberbach erneut die Besatzung
Eberbach wurde wieder bayrisch. Am 6. September 1634 besiegte das kaiserlich-spanische Heer die Schweden in der Schlacht bei Nördlingen. Gleichzeitig nahm eine bayerische Abteilung Zwingenberg, Eberbach, Hirschhorn und Neckargemünd ein.

Fast zeitgleich mit der Schlacht 1634 fiel ein 400 Mann starker Trupp kaiserlicher Reiter in Eberbach ein und hauste in übelster Weise. Das über alle Kriegsjahre hinweg gerettete Inventar des Rathauses wurde geplündert, 24 silberne Becher wurden geraubt. Die im Archiv gelagerten Privilegien und Urkunden wurden in der ganzen Stadt verstreut. Zwar gab Bürger Stephan Fleck die von ihm eingesammelten Unterlagen nur nach einer Gegenleistung heraus. Aber sie waren wenigstens für die Nachwelt nicht verloren - bis heute sind sie im Stadtarchiv.

Dort wird immer noch eine Episode des rabiaten Durchmarschs der kaiserlichen Truppe durch ein dickes Buch belegt. Als die Truppen das Rathaus stürmten, konnte sich der Ratschreiber einer tödlichen Attacke mit einem Fausthammer nur erwehren, indem er dem Angreifer, vermutlich ein kroatischer Hauptmann in kaiserlichen Diensten, ein dickes städtisches Buch entgegenstreckte und so den Schlag abfing. Die tiefe Einschlagstelle auf den Seiten belegt das Ereignis.

1635 war für Eberbach ein Jahr völliger Anarchie. Der reformierte Pfarrer und der Stadtschreiber waren geflohen. Eine Bürgermeisterwahl fand nicht statt. Eine geordnete Verwaltung gab es nicht. Allein 700 Todesfälle wurden in diesem Jahr registriert - Typhus, Cholera, Ruhr und Pest. 1636 huldigte die Bevölkerung der Pfalz dem neuen Landesherrn, Herzog Maximilian von Bayern - jetzt zum zweiten Mal. 1637/38 lagen immer noch Soldaten in Eberbach. Im Dezember 1642 waren die Ämter der Stadt wieder regulär besetzt. Ganze sieben bayerische Soldaten hatten die Kontrolle über die Bevölkerung. Bis 1645 waren in der Stadt kaiserliche und bayerische Besatzer zu ertragen.

Anfang 1645, in der letzten Phase des Krieges, mischte sich Frankreich ein, gegen die Vormachtstellung der römisch-deutschen Kaiser, der Habsburger. 11000 französische Soldaten brachen bei Speyer, über Pforzheim bis Mergentheim durch. Die kaiserliche Gegenstreitmacht gruppierte sich mit vier Regimentern in Eberbach und Hirschhorn. Rund 2000 Mann lagen in den beiden Städten, eine kaum vorstellbare Belastung. 1946 wurde der Eberbacher Schultheiß gefangengenommen, weil die Stadt die Kontributionen nicht aufbringen konnten. Im August 1647 wurde der ganze Rat eingesperrt, bis das Geld aufgebracht war - 1142 Gulden.

Im Sommer 1648 war das bayrische Regiment in der Gegend auf 940 Mann zusammengeschmolzen, verteilt auf elf Garnisonsorte, darunter Eberbach, Minneburg, Schwarzach und Zwingenberg. Am 31. Oktober 1648 gelang es dem bayrischen Regiment, mit 200 Mann Mosbach einzunehmen und die Franzosen zu vertreiben. Ab diesem Zeitpunkt herrschte Ruhe in der rechtsrheinischen Pfalz.

Mit dem Westfälischen Frieden war der Dreißigjährige Krieg zu Ende. Aber noch waren im Amtsbezirk Mosbach, darunter auch Eberbach, die dort lagernden bayrischen Regimenter zu unterhalten. 1117 Reichtaler mussten aufgebracht werden. Dann kam die Kurpfalz wieder. Kurfürst Karl Ludwig zog am 7. Oktober 1649 in Heidelberg ein. Am 1. Januar 1650 wurde ihm von Eberbach und den Dörfern der Zent gehuldigt. Jetzt gab es wieder evangelische Gottesdienste, das deutlichste Zeichen dafür, dass die Gegend wieder zu den alten politischen Gegebenheiten zurückgekehrt war. Der Aderlass der Menschen der Region im Dreißigjährigen Krieg war gewaltig gewesen.

Info. Johann Dietrich von Pechmann, Eberbach im Dreißigjährigen Krieg; Eberbacher Geschichtsblätter 2007-2009.


Auf der Suche nach dem Vorfahren
Wie aus einer Ahnenforschung ein geschriebenes Stück Eberbacher Stadtgeschichte wurde

Eberbach. (rho) Johann Dietrich von Pechmann, pensionierter Controller aus Mönchweiler, hat nach dem Obersten Gabriel Pechmann von der Schönau geforscht, einem vermeintlichen Vorfahren seiner Familie. Jener Offizier Pechmann hatte unter Tilly die Belagerung Heidelbergs mitgemacht und seine Truppen im Winter 1622 nach Eberbach ins Quartier geschickt. Zwar hat der heutige von Pechmann herausgefunden, dass der damalige Oberst nicht sein Ahn war, aber das zusammengetragene Material beschreibt hervorragend Eberbachs Geschichte im Dreißigjährigen Krieg. Als von Pechmann auch im Eberbacher Stadtarchiv nach Gabriel Pechmann forschte, hat > Stadtarchivar Dr. Rüdiger Lenz die Chance genutzt. Er hat von Pechmann erfolgreich gebeten, seine Ergebnisse für die Eberbacher Geschichtsblätter 2007 bis 2009 aufzuarbeiten - „Eberbach im Dreißigjährigen Krieg“.



Ein historischer Schatz im Stadtarchiv
Eberbach. Was das gesammelte historische Gut der Bürgerschaft betrifft, hat die Stadt mehr als einmal großes Glück gehabt. Als im Herbst 1634 nach der Nördlinger Schlacht 400 kaiserliche Reiter Eberbach ausplünderten, kam es zu einem unmittelbaren Angriff eines vermutlich kroatischen Offiziers auf den Ratschreiber. Der streckte dem Aggressor ein aufgeschlagenes dickes städtisches Buch entgegen (Sgrafitti am Karpfen). Der Hieb mit dem Fausthammer schlug eine Kerbe in den Wälzer, der städtische Schreiber überlebte. Jahre hinterher wurde das Ereignis auf jener beschädigten Seite niedergeschrieben. Das behämmerte Buch ist heute noch wohlerhalten im Stadtarchiv. Es wurde wahrscheinlich erst später mit einem Einband mit der Jahreszahl 1551 versehen und listet von 1603 bis 1884 akribisch alle Einbürgerungen in der Stadt auf.


Der Ratschreiber rettete sich mit dem Bürgerbuch.

Der originale Einschlag mit dem Fausthammer.

Ein paar Jahre später wurde der Angriff von 1634 niedergeschrieben.

Die schlimmste Zeit für die rechtsrheinische Pfalz.

Fotos/Repros: Rainer Hofmeyer
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