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Dr.-Schmeißer-Stift

Das Dr.-Schmeißer-Stift hielt nur knapp 40 Jahre

Das alte Haus hatte einen optimalen Platz  – Damals heftige Diskussion um Standort - Vom hohen Wert einer Eberbacher Immobilie - Warum das Dr.-Schmeißer-Stift für die Alten einmalig war – Idealer Standort in der Stadt
Richtfest mit dem bald scheidenden Bürgermeister Hermann Schmeißer.

November 2011
Von Rainer Hofmeyer

Das hätte man sich vor rund vierzig Jahren nicht vorgestellt. Zwei große Projekte hatten die Einwohner der Neckarstadt Mitte der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts im Grunde mehr oder weniger selbst in die Hand genommen. Mit Fördervereinen sollten ein neues Hallenbad und ein Heim für die alten Eberbacher Wirklichkeit werden. Spenden und Beiträge, Unterstützung durch Vereine und Verbände waren Zeichen einer großen bürgerschaftlichen Initiative. Das Dr.-Schmeißer-Stift sollte eigentlich etwas für die Zukunft sein. Dass das damals hochmoderne Gebäude im Grunde nur vierzig Jahre gehalten wird, war nicht zu ahnen.

Was heute bei vielen in Vergessenheit geraten sein muss: In der Neckarstadt gab es vor Jahrzehnten große und anhaltende Diskussionen um den Standort eines neuen Altenheimes. Zuvor beherbergte ein altes verfallendes Haus in der Fahrgasse, beim „Heiner am End‘“,  die älteren Mitbürger. Im ehemaligen Gasthaus „Anker“ stand rund ein Dutzend Plätze für die Alten zur Verfügung. Träger des Heimes war die Stadt.

Der Platz beim Grünen Baum zu klein und nicht ausbaufähig. Und Eberbach konnte sich zu jenen Jahren noch etwas leisten. Die städtischen  Haushalte waren allenfalls mit rund 1 Million Deutscher Mark im Minus. Der damalige Bürgermeister Dr. Hermann Schmeißer war ein großer Befürworter der Idee für ein neues „Altersheim“, so der damalige Sprachgebrauch für das, was sich heute „Haus der Pflege“ nennt. Und die Bürgerschaft drängelte mit.
Der "Verein Stiftung Altersheim Eberbach e.V." wurde im Jahre 1962 gegründet. Die weiteren Mitglieder des Vorstandes sind heute noch in Erinnerung: Willi Empacher und Lina Bussemer. So manche großzügige Spende ging an die diese Stiftung.

Die Standortfrage für den Neubau polarisierte. Die Vorschläge für einen Platz waren überaus zahlreich. Im März 1968 waren es sage und schreibe 18 Grundstücksangebote, die dem Eberbacher Gemeinderat zur Überprüfung und Stellungnahme vorgelegt wurden.

Am Orsberg sollte das neue Haus sein, in Richtung Bahnhof gerichtet, aber auch mit Blick auf den Friedhof. Eine Stelle nahe beim Jahnplatz war auch im Gespräch. Da hätten die alten Eberbacher wohl ihre verdiente Ruhe. Doch die öffentliche Meinung trieb die Verantwortlichen in eine andere Richtung.
Kommentare jener Tage stachelten vor allem gegen einen Standort beim Orsberg. Die Nähe zum Friedhof war nur eine der ablehnenden Pointen. Mit einem Platz mit Ausblick auf die allerletzten Ruhestätten war in der öffentlichen Eberbacher Meinung vor rund vierzig Jahren nichts zu machen.

Die alten „Neckarschleimer“ am Ende ihrer Tage aus der Innenstadt und dem Leben am Neckar herauszuhalten, wurde überwiegend auch nicht akzeptiert. Schließlich ist die Bahnlinie für die Eberbacher Mentalität so etwas wie die gedachte Linie zwischen Drinnen und Draußen. Die Nähe zur Altstadt wäre eine ideale Lösung. Denn die alten Eberbacher wollen auch noch fußläufig an den Neckar.

Für einen Bau des neuen Heimes am damals noch stehenden Hochwasserleitdamm bei der Neckarbrücke lag sogar schon eine Baugenehmigung vor, die sofort hätte vollzogen werden können. Da gab es Einsprüche aus der Nachbarschaft. Das Verwaltungsgericht Mannheim tagte deswegen in Eberbach. Der Entscheid: Wenn innerhalb eines Jahres kein anderes Grundstück gefunden werde, könne an der Brücke gebaut werden.
Der Druck für einen Standort  im Stadtzentrum wurde übergroß. Da kam dem evangelischen Pfarrer Lic. Günter Moldaenke die Lösung. Das von ihm bewohnte Pfarrhaus Süd in der Luisenstraße, die alte Villa Knecht-Leutz, bot er der Stadt zum Tausch an. Das Grundstück mitten in der Stadt gegen ein neues Pfarramt in Neckarwimmersbach, an der Schwanheimer Straße. So wurde es entschieden.

In diesem Grundstücksgeschäft liegt aber auch eine Bindung: Das Gelände an der Luisenstraße  ist zweckbestimmt und kann nicht beliebig genutzt werden. Denn ohne den gemeinnützigen Sinn hatte seinerzeit der evangelische Pfarrer sein geliebtes Pfarrhaus nicht aufgegeben.

Am 1. Dezember 1969 gab es den ersten Spatenstich für das neue Haus. Die Architekturplanung war vom Feinsten. Der Eberbacher Architekt Dipl.-Ing. Gustav Rumstadt zeichnete ausgesprochen gefällige Entwürfe. Volksbankgebäude, Haus der Baugenossenschaft gegenüber der Krone-Post und Kurmittelhaus kamen aus seiner Feder.

Anfangs sollte das Pfarrhaus, die alte Villa Knecht-Leutz, noch erhalten und nur um einen mehrgeschossigen Bettentrakt ergänzt werden. Doch der sandige Baugrund, das Gelände Nägelsee, wanderte unter der Last des mehrgeschossigen Neubaus. Es gab Schäden am alten Herrensitz. Die Villa musste abgerissen, der flache Trakt neu gebaut werden.
Am 13. August 1971 feierte Eberbach Richtfest. Ein großer, aber gefälliger Bau bestimmte das Bild, verkleidet mit Neckartäler Buntsandstein, jedes Zimmer mit Balkon. Am 11. Dezember 1972 war es dann soweit: Das neue Altenheim „Dr.-Schmeißer-Stift“ wurde eingeweiht. Die alten Eberbacher konnten einziehen. Hermann Schmeißer hatte sein Ziel erreicht. Am Ende jenes Dezembers wurde der Namensgeber als Eberbacher Bürgermeister verabschiedet.
Eine Erweiterung mit einem Pflegetrakt folgte  Jahre später, als das Gelände der bekannten Eberbacher Dentistin Emilie Botz zum Kauf anstand.

Der Platz des Dr.-Schmeißer-Stifts an der Ecke Friedrich-Ebert-/Luisenstraße war bis heute ideal. Das Haus gehört zum Stadtbild. Nicht ganz 40 Jahre hat das „neue“ Altersheim gehalten. Die Stiftung Altersheim hat sich entschieden. Das Gebäude für die heutigen Ansprüche umzubauen, wäre technisch zwar möglich, für den Verein aber der finanzielle Ruin.
Der Abriss wird nicht zu umgehen sein. Betreutes Wohnen und ein Ärztehaus sind als Neubau im Gespräch. Damit wäre die Zweckbindung des Geländes womöglich erfüllt. Wird das Vorhaben Realität, dann können die künftig dort betreut Wohnenden die Standortvorzüge genießen, die viele Eberbacher im Auge hatten, als sie vor 40 Jahren ihr Scherflein in die Kasse der „Stiftung Altersheim“ einwarfen.

Und so kann vielleicht später einmal der neue Anbieter für betreutes Wohnen mit all den Auszeichnungen werben, die im letzten Jahr noch auf der Internetseite des Dr.-Schmeißer-Stifts standen: „Nicht weiter als 200 Meter ist es zum Bahnhof. Die Kuranlagen und der Park mit der Neckarpromenade sind sozusagen vor der Haustür. Hier entspannen Sie sich bei erholsamen Spaziergängen und genießen auf einer schattigen Parkbank die idyllische Neckarlandschaft.“

Der Platz des neuen „Lebensrades“, das „Haus der Pflege“, hätte übrigens vor rund vierzig Jahren den Standortcheck der Eberbacher nicht bestanden. In der Nähe vorgeschlagene Grundstücke sind damals ja bekanntermaßen abgelehnt worden.

Vom hohen Wert einer Eberbacher Immobilie

Von Rainer Hofmeyer

Der Bürgermeister und sein Architekt gingen auf Reisen. Dr. Schmeißer und Gustav Rumstadt klopften überall an, wo es etwas zu holen gab. Kreis, Land, Bund, Wohlfahrtsverbände waren ihr Ziel. Die Herren brauchten Geld. Schließlich wartete zu Hause die ganze Bevölkerung auf Ergebnisse. Zehn Jahre lang wurde in Eberbach fleißig und großherzig gesammelt. Fast eine Million Mark kam in den Spendentöpfen des Fördervereins Altersheim zusammen. Doch ohne ein überaus tragbares Konzept für das Haus hätte es Zuschüsse nicht in dem hohen Maße gegeben.


Das waren nicht einfach nur gefällige Pläne. Zwar hatte Dipl.-Ing. Gustav Rumstadt seine Hausmarken in der Stadt schon hinreichend gesetzt. Eine optische Meisterleistung war beispielsweise das neue Anwesen der Baugenossenschaft, am Eingang der Hauptstraße bei der Stadtmauer. Der Neubau sah aus, als hätte er schon seit dem Mittelalter dort harmoniert. Die Architekten-Zeichnungen für das angedachte Eberbacher Altersheim waren nicht nur genauso angenehm anzusehen, sondern auch sonst in höchstem Maße überzeugend.

Schließlich mussten die Zuschuss-Kassen geöffnet werden. Rumstadts Konzept wurde nicht nur ein Fall für Eberbach. Das Projekt bekam seinen Segen – und wurde zum Muster für ähnliche Vorhaben. Die Größe der Wohnungen übertraf mit 19 Quadratmetern, plus persönliches WC mit Waschgelegenheit und eigenem Balkon, selbst heute geltende Anforderungen.

Die Heimbewohner konnten auch eigene Möbel mitbringen. Wenn sie die Fenster aufmachten, spürten sie Luft des Neckartals. Auf dem Dach konnte man sich die auf einer geschützten Terrasse um die Nase wehen lassen.
Die 7,35 Millionen Mark, die das ganze Haus einschließlich aller Nebenkosten brauchte, sind an heutigen Maßstäben ein Klacks. Inbegriffen war sogar noch ein Grundstück vom Feinsten. Die alte Villa Knecht-Leutz stand mitten in einem ausgewachsenen Baumgrundstück. Der dort residierende Pfarrer Günter Moldaenke tauschte es gegen ein neues Pfarrhaus an der Schwanheimer Straße ein.

Zehn Jahre genau nach Gründung der Stiftung Altersheim wurde das Dr.-Schmeißer-Stift in Betrieb genommen. Das Stift war ein Altersheim mit 90 Betten. Baulich ausgerichtet auf mobile Bewohner. Eine Erweiterung mit einem Pflegetrakt folgte einige Jahre später, als das angrenzende Grundstück der wohlbekannten Dentistin Emilie Botz zum Kauf erworben werden konnte. Dort wurde dann auch entsprechend behindertengerecht gebaut, was heute im großen Haus nachzubessern wäre.

Auch bei dem Pflege-Anbau lag das Wohl der Bewohner genauso im Vordergrund wie beim ersten Abschnitt. Die Fenster in den Zimmern beispielsweise reichen dort bis zum Boden. So konnte man quasi in jeder Lage das Leben auf der Straße mitverfolgen. Auf dem Dach war ein Bettenbalkon mit zehn Plätzen.
Anfangs noch vom Eberbacher Krankenhaus mit Essen beschickt, wurde bei der Erweiterung auch eine hauseigene Küche eingebaut. Die wird übrigens derzeit noch für das neue Pflegeheim „Lebensrad“ genutzt – genauso wie die Wäscherei des Schmeißer-Stifts.

Das war ein ganz großes Geschenk der Eberbacher an ihre Alten: Das neue Stift in einem Viertel, in dem überwiegend Stadtvillen standen. Eine der durchaus nobleren Gegenden der Neckarstadt. Kein Areal mit der Nähe zu Werkstätten oder anderen Gewerbebauten, und auch nicht mit Friedhofsblick. Man war begeistert. Das Grundstück an der Ecke von Friedrich-Ebert- und Luisenstraße ist und bleibt ein Eberbacher Juwel.

Der gewählte Platz traf die Auffassungen  von einem würdigen Altendasein auf den Punkt. Die Senioren waren mittendrin und konnten problemlos am städtischen Leben teilnehmen. Banken und Geschäfte, Apotheken und Ärzte in der Nähe, der Wochenmarkt nebenan, und selbst Cafés und Kneipen waren gut zu Fuß zu erreichen – hin und zurück.

Nicht ganz 40 Jahre wird womöglich das „neue“ Altersheim am Ende nur gehalten haben. Der Umbau zu einem barrierefreien Pflegeheim würde zahlreiche technische Änderungen erfordern. Unter anderem müssten Türen und Aufzüge umgebaut werden. Allgemeine bauliche Ertüchtigungen sind offenbar auch noch dringend geboten.
Die aktuell Verantwortlichen der Stiftung Altersheim haben sich dieser Tage offenbar entschieden. Das Gebäude für die heutigen Ansprüche vom Altersheim zum Pflegekomplex umzurüsten, wäre ihrer Meinung nach praktisch zwar möglich, für den Verein aber der finanzielle Ruin, wie er selbst verlauten lässt.

Der Abriss des vielgeschossigen Hauses mit der Buntsandstein-Front soll also nicht zu umgehen sein. Betreutes Wohnen und ein Ärztehaus sind jetzt als Neubau im Gespräch. Wird dieses Vorhaben Realität, dann können die künftig dort betreut Wohnenden auf einem städtischen Prachtgrundstück all die Standortvorzüge genießen, die viele Eberbacher für ihre alten Mitbewohner im Auge hatten, als sie vor 40 Jahren ihr Scherflein in die Kasse der „Stiftung Altersheim“ einwarfen.

Und unter Umständen wird einmal der künftige Investor für das betreute Wohnen mit all den Auszeichnungen werben, die sogar jetzt noch auf der Internetseite des gemeinnützigen Dr.-Schmeißer-Stifts stehen: „Nicht weiter als 200 Meter ist es zum Bahnhof. Die Kuranlagen und der Park mit der Neckarpromenade sind sozusagen vor der Haustür. Hier entspannen Sie sich bei erholsamen Spaziergängen und genießen auf einer schattigen Parkbank die idyllische Neckarlandschaft.“  Und das sind noch nicht mal alle Reize…

INFO. Die Gesamtprojektkosten für das Dr.-Schmeißer-Stift beliefen sich auf 7,35 Millionen Deutsche Mark. Spenden und Beiträge für den Verein: 970.000 Mark. Die Zuschüsse: Landkreis Heidelberg 1,15 Mio., Land Baden-Württemberg: 945.000, Bundesrepublik: 500.000, Deutsche Altenhilfe: 500.000 Mark. Die Stadt brachte das Grundstück ein. Es musste ein Darlehen in Höhe von 3 Millionen Mark aufgenommen werden.

Eine Planung sah auch einmal das Altersheim am Hochwasserdamm vor.

Fotos/Repros: Rainer Hofmeyer
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