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Eberbacher Kuckucksmarkt

 Zum 80. Mal das Eberbacher Fest der Feste
Kuckucksmarkt wurde 1929 zur wirtschaftlichen Belebung der Stadt gegründet

Werbung 1930.

August 2015
Von Rainer Hofmeyer

Es musste genau nachgerechnet werden. Zwar ist der Kuckucksmarkt schon vor 86 Jahren zum ersten Mal veranstaltet worden. Da er aber während des Zweiten Weltkrieges ausfallen musste, kommt er erst in diesem Jahr auf die runde Zahl 80. Das Markt-Jubiläum Ende August wollen die Eberbacher ganz besonders feiern.

Vom 4. bis 6. Oktober 1929 wurde der erste Kuckucksmarkt veranstaltet. Mit dem neuen Fest sollte der neue Aufschwung für die Stadt beginnen. Denn Eberbach hatte 1924 das Badische Bezirksamt verloren und war in der regionalen Bedeutung nach unten gerutscht. Mit dem Jahrmarkt erhoffte man sich eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung, Impulse für Handel und Fremdenverkehr. Gleich zur ersten Veranstaltung gab einen Vergnügungspark, Ausstellungen von Gewerbe und Landwirtschaft, auch einen Viehmarkt.

Bei aller „Sympathie der Landesregierung“ für Eberbach im Gründungsjahr: So einfach konnte man im badischen Musterländle keinen Markt ins Leben rufen. Die Eberbacher bezogen sich deshalb auf ein altes Marktrecht aus der Kurpfälzer Zeit. Landesherr Pfalzgraf und Kurfürst Ruprecht II. hatte der Neckarstadt 1394, also vor jetzt über 620 Jahren, einen jährlichen Markt erlaubt, zum Sankt-Ägidius-Tag am 1. September. „Zum Nutzen der Stadt und des Landes“, wie Stadtarchivar Rüdiger Lenz heute in den historischen Unterlagen nachlesen kann.

Eberbach war im 14. Jahrhundert noch ein bedeutendes Gemeinwesen, hatte den Sitz einer pfälzischen Vogtei.  An den Markttagen hatte jedermann Zutritt zur Stadt, freies Geleit drei Tage vor und nach dem Markttag - „Diebe und Mörder ausgenommen“.

Der gewünschte Eberbacher Jahrmarkt wurde also von der badischen Verwaltung genehmigt. Die Geschichte vom gerichtsnotorischen Kuckucksmahl von 1604 in Neckarwimmersbach bildete den Hintergrund der Namenswahl. Da hatten sich die Eberbacher den Spott-Namen „Kuckucksfresser“ eingefangen. Die Eingebung mit dem „Kuckuck“ hatte der Verkehrsverein, der Vorläufer des heutigen Bürger- und Heimatvereins. Durch diese Selbstironie war gleich die fremde Häme an den Eberbachern vergangen.

Der Kuckucksmarkt ist inzwischen an seinem dritten Standort
und läuft über fünf Tage. Früher zog sich die Veranstaltung teilweise sogar über zwei Wochenenden. Ab dem Startschuss 1929 bis zum Bau der Uferstraße B 37 war das Festgelände am Lauer. Es gab ein riesengroßes Bierzelt, Box- und Varieté-Buden, aus Tannenstämmen gezimmerte Bier- und Weinbuchten, dazu Kettenkarussell und Geisterbahn.

Ein Anbieter aus den Gründertagen des Kuckucksmarktes ist hervorzuheben: Argin Geurtschin aus Mannheim mit seinem Verkaufswagen für Türkischen Honig. Gebaut 1812, war das Gefährt 1937 erstmals in Eberbach aufgestellt. Jetzt ist der Wagen technisch überholt und auf den Namen des inzwischen 79jährigen Enkels Rolf Richarz umlackiert.
Der letzte Markt vor dem Weltkrieg war 1938. Dieses Mal ohne Viehschau - es herrschte Maul- und Klauenseuche. Dann hatten die Eberbacher sieben Jahre lang wahrlich keinen Grund zu feiern.

Erst 1946 ging es, mit zwei Wochenenden, wieder weiter. Die Chronik verzeichnet für den Neustart einen schwachen Verlauf und einen genauso schwachen Gewinn. Keiner wolle mehr Lose kaufen, klagten die Marktleute. Und darüber hinaus stöhnten die Schießbuden-Besitzer: „Die Deutschen wollen keine Gewehre mehr in die Hand nehmen“. In einem alten Eberbacher Notizbuch findet sich eine andere Erklärung für die Zurückhaltung: „Wer bringt denn seiner Herzensdame eine selbst geschossene Papierrose vom Kuckucksmarkt mit?“ Im folgenden Jahr ging es besonders lange rund: 1947 dauerte der Markt neun Tage am Stück.

Mit dem Baubeginn der Uferstraße war der riesige Festplatz am Lauer weg. Also zog der Markt 1958 in die enge Altstadt und ihre nähere Umgebung. Das große Festzelt stand zuerst bei der Turnhalle an der Neckarbrücke. Die Fahrgeschäfte wurden anfangs überwiegend im Hof der Dr.-Weiss-Schule aufgebaut. Die Altstadtfront bot zum Kuckucksmarkt ein eindrucksvolles Bild. Lichterketten und Verkaufsbuden strahlten ein angenehmes Licht. Auf der gegenüberliegenden Neckarseite blinkte eine Leuchtreklame ihr doppeltes "Kuckuck". Die Verkäufer standen zwischen "Krone-Post" und Neckarbrücke. Ein „billiger Jakob“ verkaufte schreiend seine Waren. Das Einkaufspublikum kam vornehmlich vom Winterhauch, dem Kleinen Odenwald und dem Neckartal bis rauf nach Heilbronn.

Eberbach hatte selbst drei Schausteller,
die den Kuckucksmarkt bereicherten. Heil, Frank und Retzbach: Autoscooter, Schießbude und Verlosung wurden von diesen heimischen Unternehmen im Wechsel betrieben. Eine weitere Eberbacher Galanummer war das Zelt von Küfer Helm mit seinem Weinbrunnen. Der handgeschnitzte Brunnen steht heute im heimischen Küfereimuseum.

Im Festzelt floss exklusiv nur das "Eberbacher Rosenbräu", vertraglich garantiert und persönlich ausgeschenkt vom Eigner der „Rosenbrauerei“, Karl Knauber. Mitte der 1960er-Jahre übernahmen Bürger und Stadtverwaltung für mehrere Märkte den Zeltbetrieb - zugunsten der „Stiftung Altersheim“. Die Eberbacher feierten stets ihr Fest bis in die Puppen. Offizieller Schluss insbesondere im großen Zelt war um zwei Uhr nachts. Dann konnte es schon mal sein, dass man hinterher noch in der Garage des VfB bei einem Bier zusammensaß.

Noch einmal gerückt wurde nach dem Bau der Turnhalle der Dr.-Weiss-Schule. Das Festzelt ging eine Etage tiefer in den Schulhof. Die Fahrgeschäfte wichen auf den Parkplatz Grüner Baum und den Leopoldsplatz aus. Rund 2.000 Gäste hatten beim dann genauso berühmten Festwirt Paul Langlotz Platz. Die „Kornkammer Buam“ aus Kornwestheim spielten ab 1970 - eine richtig große Blaskapelle.

Der Rückbau des Hochwasserleitdammes an der Brücke brachte vorübergehend noch etwas zusätzliche Fläche. Dann gab es andere Probleme: In den 1970er-Jahren begannen die Schulferien in den Bundesländern zu rollieren. Lagen die Ferien in Baden-Württemberg nicht günstig am August-Ende, stand der Schulhof für Fahrgeschäfte und Buden nicht zur Verfügung. In der Innenstadt platzte zudem der Markt aus allen Nähten. Eine Lösung wurde gesucht.

Das Altstadtfest zur Feier 750 Jahre Eberbach fand 1977 so großen Anklang, dass man eine solche Veranstaltung jedes Jahr wollte. Das brachte die rettende Idee: Eine zusätzliche Veranstaltung im Zentrum, andererseits der Kuckucksmarkt ab 1981 auf die linke Neckarseite. Ausdehnungsmöglichkeiten am neuen Platz in der Au waren jetzt genug vorhanden. Alt- und Innenstadt wurden zu Kulissen für den neuen "Eberbacher Frühling".

Das Festprogramm des Kuckucksmarkte hat Tradition. Freitags Eröffnung mit Fassanstich im Festzelt. Drei Böllerschüsse, wie eh und je auch heute. Dann früher volle Bankreihen im Zelt bis weit nach Mitternacht. Dasselbe Bild auch am Samstag. Sonntags Frühschoppen mit der großen 33. US-Army-Band aus Heidelberg, nachmittags verkaufsoffene Geschäfte in der Innenstadt - Eberbachs Straßen waren übervölkert.

Montagsmorgens war schon immer der „Tag der Eberbacher Betriebe“. Ehedem war das Zelt auch zu dieser Zeit brechend voll. Die Handwerker nahmen eine Auszeit, die Meister saßen mit ihren Leuten beim Bier zusammen, die beiden großen Eberbacher Baufirmen machten frei. Montagsnachmittags das Kinderfest, in der Au. Sackhüpfen, Eierlaufen, Baumklettern - wie heute.

Großtiermärkte gab es von Anfang an. 1946 wurden Ziegen vorgeführt, 1947 eine Pferdeschau veranstaltet. Die Fleckviehschau am Dienstag ist heute ein Eberbacher Markenzeichen. Sie war schon einmal ausgelagert an den Jahnplatz, jetzt ist sie wieder beim Festgelände. In der 1950er-Zeit wurde sogar Ausstellungen für landwirtschaftliche Maschinen veranstaltet. Zum Abschluss des Kuckucksmarktes stets das große „Brillant-Feuerwerk“.  1947 freute sich Eberbach so sehr über sein Volksfest, dass sogar an beiden Markt-Sonntagen ein Feuerwerk gezündet wurde. Wenn die „Kuckuck-Kuckuck“-Leuchtreklame beim Schwimmbad ausging, wusste man, dass das Feuerwerk gleich gestartet wurde. Heute fliegen und knallen die Raketen im Einklang mit Musik.

Zeitenwandel. Rund um den Kuckucksmarkt hat sich nach dem Umzug in die Au so einiges geändert. Die ganz so breite Begeisterung von heimischer Bevölkerung und im Umland ist verloren gegangen. Der Marktbesuch ist offenbar kein Muss mehr wie früher. Vor allem die Anziehungswirkung des großen Zeltes hat nachgelassen. Verschärfte Promilleregeln im Straßenverkehr haben hier schon einen Einfluss.

Inzwischen gibt es ein Marktbüro mit Standort direkt am Festplatz. Genügten dereinst zwei, drei Polizeibeamte, um einer größeren Schlägerei im Festzelt Herr zu werden, ist die Polizei jetzt mit fester Wache und Verstärkung direkt in der Nähe. Dazu marschiert noch eine Security auf, um die Marktregeln durchzusetzen und den Zugang zu kontrollieren. Freies Geleit und ungehinderten Zutritt zum Eberbacher Markt wie 1394 unter Pfalzgraf Ruprecht II. kann man heute nicht mehr einfordern. Nach 621 Jahren ist eben nicht alles friedlicher geworden.

August 2016

Zweifel an der Berechnung des Jubiläums geäußert
Volksfestbetriebe während des Zweiten Weltkrieges - Aber kein Kuckucksmarkt

Von Rainer Hofmeyer

Gerade eben ist der offiziell 81. Eberbacher Kuckucksmarkt zu Ende gegangen.  Im nächsten Jahr hätte es jedoch beinahe schon die Nummer 83 oder 84 geben können. Wenn denn die konkreten Erinnerungen einiger alter Eberbacher zugetroffen hätten. Die berichteten von mindestens einem Volksfest während des Krieges, teilweise sogar ausdrücklich einem „Kuckucksmarkt“. Ein solcher war jedoch zwischen 1939 und 1945 bei der Berechnung der Jubiläumszahl für 2015 nicht mitgezählt worden.

Vorwärts und rückwärts war gerechnet worden, um das runde Jubiläum so professionell wie möglich abzusichern. Zwar sind es vom ersten Kuckucksmarkt 1929 bis zum Jubelfest 2015 insgesamt 87 Jahre gewesen. Minus sieben Jahre Ausfall im Krieg bringen logischerweise die im letzten Jahr gefeierte runde 80. So weit, so behördlich: "1939-1945: In den Jahren des 2. Weltkrieges wurde kein Kuckucksmarkt abgehalten“, steht auf der Homepage der Stadt.

Kein Volksfest also in den Kriegsjahren? Einige Eberbacher erinnern sich da anders. Für eine heute 85-Jährige ist ein Rummel anno 1941 oder im Jahr danach immer noch unvergessen. Rutschte sie doch als Kind vom Kettenkarussell und brach sich den Arm. Eine andere, inzwischen ebenfalls 85-jährige Eberbacherin erinnert sich noch gut, dass sie am Sonntag der Veranstaltung an der Losbude gleich zwei Mal den Hauptgewinn zog. Sie ergatterte „einen Eimer, der mit allerlei Sachen gefüllt war“. „Es gab einen Kuckucksmarkt im Krieg - die Recherchen stimmen nicht“, korrigierte die Alt-Eberbacherin Berichterstattung und städtische Zählung.

Recht haben die beiden bejahrten Damen insoweit: es gab auf jeden Fall im Krieg Volksfest-Veranstaltungen am Lauer mit Fahrgeschäften und Schaustellerbetrieben. Ergänzt werden diese Rückblenden von einem 83 Jahre alten Eberbacher, der sich heute noch daran erinnert, dass ihn seine Mutter 1941 aus den Ferien in die Heimat lockte, mit dem Hinweis auf „Autole“, kleine Autos - ein Kinderkarussell. Ein weiterer alter Eberbacher spricht auch heute noch ausdrücklich von einem „Kuckucksmarkt“ während des Krieges.

Auch Helmut Joho (83) hat eine treffende Erinnerung: Der ehemalige Herausgeber des Geschichtsblattes berichtet namentlich von eben jenem Mädchen, das seinerzeit aus dem Kettenkarussell fiel und sich die Knochen brach. Joho kann sich auch noch an die damals üblichen Wein- und Bierbuchten auf dem Lauer erinnern, entlang der Zwingerstraße. Kuckucksmarkt? Joho zweifelte aber an, dass es sich damals um das reguläre große Eberbacher Volksfest gehandelt hatte.

In den Eberbacher Geschichtsblättern vom Zweiten Weltkrieg gibt es keinen Hinweis auf einen Kuckucksmarkt von 1939 bis 1945. Der im ersten Kriegsjahr in der Planung schon angelaufene Markt wurde kurzfristig abgesagt. 1940 fand auch kein Rummel statt. Der Landesverband der badischen Rinderzüchter führte zwar am 12. September die „79. Zuchtviehschau“ mit Versteigerung durch. Es wurden „über 120 Farren aufgetrieben und verkauft“. Kein Kuckucksmarkt. Auch liegen im Stadtarchiv nicht die üblichen Unterlagen zur Organisation eines großen Festes während des Zweiten Weltkrieges. Anlass, an der Jubiläums-Zahl zu zweifeln, gab es also keinen.

Andererseits: So viele alte Eberbacher können sich eigentlich nicht irren: Es gab ja mindestens eine erinnerte Veranstaltung am Festgelände Lauer mit Kettenkarussell, Kinderreitschule, Losbude, Schießbude sowie einer Bewirtung in den damals üblichen Wein- und Bierbuchten.

Zum Glück musste der Verlag Wilhelm Krauth erst 1943 die Herausgabe des Stadt- und Landboten aus Papiermangel einstellen. Die Zeitungen bis dahin sind archiviert. Hier findet sich am 29. August 1941 eine Anzeige: Vom 30. August bis 2. September - „Volksfest-Betrieb“ am schönen Lauer, mit „Gondelflieger“, Kinderkarussell und Schießbude. Das war schon etwas – aber nicht der Kuckucksmarkt. Die Veranstaltung wurde zum 6. bis 8. September verlängert. 1942 wiederholte sich der kleine Rummel noch mal, vom 29. August bis 1. September.

Lediglich ein bisschen Trost zur regulären Volksfestzeit, also um das letzte August-Wochenende herum. Auch wieder kein „Kuckucksmarkt“, der in der amtlichen Zählung hätte aufaddiert werden müssen. Den Kindern kam damals die winzige Veranstaltung wohl dennoch wie ihr geliebter großer Kuckucksmarkt vor.

Nächstes Jahr 2017 gibt es also amtlich korrekt Kuckucksmarkt Nummer 82. Wenn das falsch gewesen wäre, hätten Stadtverwaltung und Stadtarchiv tief Luft holen müssen. Wo doch die Eberbacher so kritisch beäugen, wie die Verantwortlichen mit ihrem Fest aller Feste umgehen. Was ja allein schon der Zweifel an der richtigen Jubiläumszahl beweist. Jetzt ist in den Amtsstuben doch erst mal nur Erholung vom diesjährigen Marktgeschehen angesagt.


1941 Werbung für einen kleinen Festbetrieb während des Krieges.

Das große Plakat warb über viele Jahre.

Neustart 1947. Über neun Tage.

Fotos/Repros: Rainer Hofmeyer
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