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Zweiter Weltkrieg - Luftangriff auf Eberbach

Als Eberbachs Altstadt in Flammen stand

Vor 70 Jahren, am 25. März 1945, greifen die Amerikaner die Fachwerkhäuser mit Brandbomben an - Sechs Tage später kapituliert die Stadt
Die Untere Badstraße nach dem Luftangriff.

25. März 2014
Von Rainer Hofmeyer

Es gibt noch Zeitzeugen, die sich an jenen 25. März vor 70 Jahren in Eberbach erinnern. Der Zweite Weltkrieg steht schon fast vor dem Ende. Eberbach ist bis fast zuletzt von Kriegsschäden verschont geblieben. Vor allem die mittelalterliche Fachwerk-Innenstadt hat bis dahin alles überstanden. Es gibt auch in Eberbach einige kriegswichtige Einrichtungen, die der Feind hätte angreifen können. Das Heereszeugamt Metz ist von Mainz in die Neckarstadt verlegt worden. Lagerschiffe ankern am Neckar, bis hinauf nach Neckargerach. Die Oberbauleitung der Organisation Todt hat in der Dr.-Weiss-Schule Quartier.

Doch auch in den ersten Wochen jenes letzten Kriegsjahres 1945 gibt es nur vereinzelt feindliche Flüge über Eberbach. Anfangs donnern die Maschinen über die Stadt hinweg. Die Eberbacher sind dennoch auf Bombenangriffe vorbereitet. Es gibt öffentliche Schutzräume, so in der alten Volksschule, unter dem Gefängnis beim Lindenplatz, beim alten Amtsgericht. In vielen Wohnquartieren sind private Luftschutzkeller ausgewiesen. Die alten Sandsteingewölbe bieten einigermaßen Sicherheit, wenn es denn keine direkten Treffer gibt. 

Bei Fliegeralarm fliehen viele Eberbacher raus in die Wälder. Am Scheuerberg und Itterberg finden sich etliche ein. Überwiegend sind es Mütter mit ihren Kindern. Die Hitlerjugend besetzt Beobachtungsposten auf Hochständen rund um die Stadt. Doch manche Menschen unterdrücken ihre Angst vor den Flugzeugangriffen. Irgendwann flüchten sie bei den Luftalarmen nicht mehr in Schutzräume, bleiben in ihren eigenen Häusern. „Wir wollten eben stark sein“, erinnert sich eine heute 90-Jährige an die seinerzeit doch riskanten Entscheidungen. Kohlen im Keller oder Brennholz auf dem Speicher - wenn was passiert, will man rasch eingreifen können. 

Ab Februar 1945 nähert sich das Kriegsgeschehen auch Eberbach. Erst einmal aus der Luft. Amerikanische und britische Flieger kreisen über dem Neckartal. Die Kampfbomber greifen die Verkehrslinien an. Die Rockenauer Schleuse wird beschossen, der Itterstaudamm, die Neckarbrücke. Personenzüge und Zivilisten sind Ziele der Maschinenwaffen. 

Ab März 1945 kommt dann doch das Schlimmste auf die kleine Stadt mit den vier Türmen zu. Am 19. März rollt der erste größere Angriff gegen Eberbach mit Bomben. Sie fallen bei Güterbahnhof und Güterbahnhofstraße, Itterstraße, Neuem Markt. Die Alliierten fliegen sechs größere Einsätze gegen die Stadt. Noch sind es vermeintlich kriegswichtige Ziele. Viele Bomben fallen aber auch in private Gärten und städtische Anlagen. Eberbach füllt sich mit Menschen, die vor dem Krieg fliehen. Vertriebene aus den Westgebieten, versprengte, verwundete und flüchtende Soldaten ziehen durch. Acht Tote gibt es bei diesen Luftangriffen im März, darunter fünf Eberbacher.

Ende März setzen alliierte Bomber auch in Eberbach ihre ultimative Strategie um. Es geht nicht mehr nur um Angriffe auf kriegsbedeutende Einrichtungen. Jetzt werden die Städte des Deutschen Reiches angegriffen, um die Bevölkerung zu demoralisieren. Für die alten, aus Holz und Lehm dichtbebauten deutschen Fachwerkstädte haben die Angreifer eine besonders teuflische Taktik: Elektron-Thermitstab-Brandbomben. Mit ihnen brennt das Holz wie Zunder.

Palmsonntag, der 25. März 1945. Heute vor 70 Jahren. Jetzt wird Eberbachs Zentrum mit diesen Höllengeräten niedergebrannt. Dabei sind es gerade noch ganze sechs Tage, bis für die kleine Neckarstadt der Krieg zu Ende sein wird. Ein eigentlich unnötiger Verlust, den die Bürger noch erleiden müssen. Es gibt mehrere Angriffswellen. Morgens um halb 8 versenken alliierte Jagdbomber einen Großteil der im Neckarhafen liegenden Schiffe. In der Friedrich-Ebert-Straße brennt ein Haus. Der Eberbacher Hof beim Bahnhof wird zerstört.

Anneliese Perbandt, heute 85, die Tochter des Jagdaufsehers Wilhelm Dreher, erinnert sich noch an jenen schicksalhaften Palmsonntag. Sie ist mit ihren Eltern in einem Pferdefuhrwerk zur Jagdhütte am Itterberg hochgefahren, um den Kriegsgefahren zu entgehen. Vom massiven Angriff am Nachmittag auf die Altstadt bekommt sie nichts mit, „bis Herr Schiel vorbeikommt und fragt, wisst ihr schon, dass Eberbach brennt?“

Und wie Eberbach brennt… Gegen 4 Uhr nachmittags ist eine Rotte amerikanischer Bomber von Rockenau her über die Häuser hinweggeflogen. Dieses Mal werden Bomben über der Altstadt ausgeklinkt. Helmut Joho, seinerzeit 11-jähriger Oberrealschüler, sieht den Angriff vom elterlichen Haus in der Neckarhälde. Er wundert sich, dass aus den Flugzeugen nicht wie sonst geschossen wird. Er sieht „schwarze Stäbe“ aus den Maschinen fallen. Ein bei den Johos einquartierter Soldat weiß: Das sind Stabbrandbomben, gleich geht die ganze Stadt in Flammen auf. Das Quartier zwischen Unterer Badstraße und Krämergasse ist flächendeckend getroffen. Auch im Heumarkt sind Häuser beschädigt. 

Als der 15-jährige Hans Klinge nach der Entwarnung aus einem Keller in der Neckarstraße steigt, liegt über der ganzen Stadt eine schwarze Wolke, wie er sich heute noch erinnert. Viele junge Burschen retten mit ihm aus den Häusern in Krämergasse und Oberer Badstraße, was zu retten ist. Sie helfen der Feuerwehrtruppe unter Kommandant Jakob Pfeiffer. Auch Frauen werden beim Löschen eingesetzt. Soldaten vom brennenden Lazarett in der alten Volksschule beim Lindenplatz bilden mit Zivilisten eine Eimerkette zum Neckar: Sie können so den Brand im Dachstuhl löschen. In der Unteren Badstraße explodiert ein Lastwagen des Heeres. 

Als Anneliese Dreher mit ihren Eltern in der Krämergasse ankommt, ist ihr Haus ein Raub der Flammen. Die Fassade ist eingefallen. Nachdem bei diesem Anwesen und an der Ecke zur Badstraße nichts mehr zu retten ist, hilft Hans Klinge mit, das Feuer im Haus schräg hinter dem Hotel Karpfen einzudämmen. Stabbrandbomben sind auch hier eingeschlagen. Als Klinge mit den anderen Jungen im ersten Stock des Gebäudes steht, bricht die Treppe brennend unter ihnen zusammen. Die Helfer retten sich mit einem Sprung ins Erdgeschoss und löschen weiter. Aber das Haus ist nicht mehr zu halten. Nebenan gelingt es den Besitzern des Karpfens, die Brennsätze in Stoff zu wickeln und aus dem Hotel zu werfen. Sie haben einen Ratschlag von andernorts ausgebombten Gästen befolgt undsich mit nassen Decken und vollen Wasserbehältern vorbereitet. Der Karpfen ist gerettet.

Doch auch an anderer Stelle in der Altstadt gibt es mutige Leute. Hanna Spohr berichtet in ihrem Kriegstagebuch, dass ihr Elternhaus, direkt neben dem Alten Badhaus gelegen, vom Nachbarn Färber Müller gerettet wurde. Der hat eine bereits kokelnde Stabbrandbombe aus dem Speicher geholt und aus dem Fachwerkhaus geworfen.

Viele Bewohner kommen hingegen zu spät. Bis sie aus den Wäldern bei ihren Häusern sind, hat das Feuer schon weit um sich gegriffen. Feuerwehren bis aus Heidelberg rücken an. Bald versiegen die Spritzen. Die Hauptwasserleitung wurde bei einem vorherigen Angriff bereits getroffen. Das Benzin geht aus für die Pumpen, die Löschwasser vom Neckar heranschaffen. Mit Eimerketten vom Fluss in die Altstadt mühen sich die Eberbacher. Gegen acht Uhr abends gelingt es, den Stadtbrand unter Kontrolle zu bringen. Die auswärtigen Helfer ziehen ab. Aber der Einsatz dauert noch Tage an; immer wieder lodern Brandnester auf. Eberbachs alter Kern ist ein Trümmerfeld. Wenige Häuser stehen noch.

Rechtzeitig durch die Luftschutzsirenen alarmiert, haben sich die Eberbacher auf den Angriff eingestellt. So sind an diesem Sonntag keine Menschenleben zu beklagen65 Familien werden ausgebombt, 92 Menschen kommen provisorisch in der Krone-Post oder bei Bekannten und Verwandten unter. Anneliese Perbandt erinnert sich dankbar, dass ihre Familie beim Allgemeinarzt Dr. Herminghaus in der Itterstraße ganze zehn Jahre Obdach finden kann. Eine Garage und zwei Zimmer bewohnen die Drehers in ihrem Notquartier. Der Angriff der Alliierten auf Eberbachs historisches Zentrum hat am Palmsonntag 1945 viel Gebäudeschaden angerichtet. Knapp eine Woche später ist für Eberbach der Krieg zu Ende. Die Stadt wird den anrückenden Amerikanern am 31. März 1945 widerstandslos übergeben.

INFO.Quellenmaterial: Stadtarchiv Eberbach, Eberbacher Geschichtsblatt, Foto-Sammlung Joho/Hofmeyer

Amerikanische Thunderbold-Jäger griffen Eberbach an.

Höllenmischung: Stabbrandbombe mit Magnesium, Aluminium und Thermitpulver.

Zerstörter Eberbacher Hof.

Hinter dem Hotel Karpfen.

Brandbomben schlugen im Hotel Karpfen ein - heute noch zu sehen.

Repros/Foto: Rainer Hofmeyer
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