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650 Jahre Lindach

Das kurpfälzische Dorf Lindach feiert 650 Jahre

Im Jahr 1364 erstmals erwähnt - 1973 als Stadtteil nach Eberbach eingemeindet - Beständig 200 Einwohner
Lindacher Panorama heute.

Juni 2016
Von Rainer Hofmeyer

Jetzt feiern die Lindacher Jubiläum. Als 650 Jahre alt wird der inzwischen Eberbacher Stadtteil bejubelt. Das Dorf wurde 1364 erstmals erwähnt. Älter dürfte es wohl schon sein. Denn wie so oft, ist lediglich das verbriefte Datum in einer alten Urkunde der Anlass der Festveranstaltungen.

So richtig erforscht ist die Geschichte Lindachs nicht. Es gibt keine Urkunden, die die Gründung des kleinen Weilers unmittelbar beschreiben. Man kann aber getrost davon ausgehen, dass Lindach älter ist als die jetzt gefeierten 650 Jahre. Die wahrscheinliche Gründung Lindachs schreibt der Eberbacher Stadtarchivar Dr. Rüdiger Lenz bereits dem Hochmittelalter zu. Und dieser Zeitraum wird schon von Mitte 11. bis Mitte 13. Jahrhunderts datiert. Da liegt das Jahr 1364, das zum Anlass des Jubiläums genommen wird, doch schon etliches später.

Im Jahr 1364 wurde der Bezirk der damals zerstört gewesenen Burg Zwingenberg mit seiner Nachbarschaft beschrieben. Und in dieser Urkunde findet sich Lindach als bereits bestehender Ort der angrenzenden Kurpfalz wieder. In den Jahrhunderten zuvor hat Lindach, zusammen mit Neckargerach, wohl einmal selbst zu Zwingenberg gehört, ehe es dann kurpfälzisch geworden war. Das Geschlecht Zwingenberg hatte denn auch nachgewiesen umfangreichen Grundbesitz in Lindach und ertragreiche Fischgründe auf Lindacher Gemarkung.

Nimmt man das Jubeljahr 1364 als Meilenstein, sind die Lindacher, historisch gesehen, schon immer Kurpfälzer gewesen. Lindach bildete zusammen mit Wimmersbach, Rockenau, Pleutersbach, Igelsbach, Neckargerach und Schollbrunn den Bezirk der pfälzischen Kellerei Eberbach. Die übergeordneten pfalzgraflichen Hoheitsrechte wurden vom Inhaber der Zent Eberbach ausgeübt. Eberbach selbst gehörte schon seit 1330 zur Kurpfalz.

Einem Herrschaftsbezirk zugeordnet zu sein, bedeutete im Mittelalter die Abhängigkeit der Untertanen. Sie hatten keinen eigenen Grund und Boden. Die Lindacher waren dem Pfalzgrafen zu Heidelberg gegenüber zins- und steuerpflichtig. Wie auch in Neckargerach mussten sie wohl eine grundherrliche Steuer nach sogenanntem Herdrecht entrichten. Die war beim Tode des Inhabers eines Hauses oder einer Feuerstelle fällig. Als Zeichen der Leibeigenschaft hatten Hausinhaber dem Pfalzgrafen regelmäßig ein Ernte- oder ein Fastnachtshuhn abzuliefern.

Enge Bezüge zwischen Lindach und Eberbach gab es fortwährend. Aber die Verbindungen waren nicht immer ganz ohne Streit und Zank. Aus dem 15. Jahrhundert wird berichtet, dass die Lindacher ihr Vieh auf die Eberbacher Gemarkung bei der Laudenbach treiben durften. Die Eberbacher wollten dafür aber von der Gegenseite unter anderem Fron- und Wächterdienste geleistet haben und Steuern kassieren. Die sturen Lindacher verweigerten sich. Also wurde ihnen der Viehtrieb auf das Gelände bei der jetzigen Neckarschleuse erst einmal verwehrt.

Die Eberbacher setzten sich durch. Nach einer Schlichtung erhielten die Lindacher 1419 ihre überlieferten Weiderechte zurück, verpflichteten sich aber im Gegenzug zur Zahlung von Steuern und leisteten Wachdienste und Frondienste in der Nachbarstadt. Die Bindungen zu Eberbach wurden immer dichter. Bereits 1459 wurden vier Lindacher Einwohner für ihre in der Stadt Eberbach stehenden Häuser besteuert.

Groß war Lindach eigentlich nie. Der Weiler zählte 1556 nur acht Haushaltungen, 1572 gab es in Lindach und Krösselbach zusammen zehn Haushalte. Die von der Pest verschont gebliebenen Bewohner des Weilers Krösselbach wurden 1612/13 anscheinend nach Lindach umgesiedelt.

Bei der Musterung der Eberbacher Zent vor dem Dreißigjährigen Krieg wurden Lindach und der Weiler Krösselbach gemeinsam veranlagt. Mit Krösselbach stellte man auch einen Schöffen im Eberbacher Zentgericht. Bis in den Dreißigjährigen Krieg hinein hatte die Herren von Hirschhorn das Jagdrecht in der Lindacher Gemarkung.
Wenn es etwas früher in Lindach etwas gerichtlich zu entscheiden gab, musste man nach Neckargerach. Die ortsherrlichen Rechte übte der Heidelberger Pfalzgraf über sein dortiges Dorfgericht aus. Und wenn man schon am Nachbardorf orientiert war: In Neckargerach besuchten die Lindacher auch die evangelische bzw. katholische Kirche.

Zusammen mit Eberbach fiel Lindach 1410 an die pfälzische Seitenlinie in Mosbach. Durch den Erbfall von 1499 wurde die Kurpfalz wieder Landesherrschaft. Über 300 Jahre blieben die Lindacher in der Folge echte Kurpfälzer. Napoleon ordnete Anfang des 19. Jahrhunderts die deutschen Lande neu. Und fortan war es vorbei mit der ganzen Kurpfalz. Drei Jahre ab 1803 gehörte Lindach, zusammen mit Eberbach, dem Fürstentum Leiningen an. Dann wurde es 1806 zwangsweise badisch. So ist es noch heute, auch wenn sich viele in der Gegend eher als gestandene Kurpfälzer sehen.
In Lindach lebte man bis weit in das 20. Jahrhundert hinein vor allem von der Landwirtschaft. Gewerbe gab es so gut wie nicht. Es gab zeitweilig immerhin zwei Gaststätten, "Linde" und "Hirsch". Die Versorgung mit Trinkwasser lief über einen öffentlichen Springbrunnen und mehrere Brunnen  auf privaten Grundstücken.

Eine Feuerwehr wie heute gab es noch nicht. Jeder half jedem. Mit Zwingenberg bestand ein Feuerspritzenverband. Die Spritze stand in Zwingenberg, Feuerleiter und Feuerhaken wurden vom Lindacher Bürgermeister aufbewahrt.
In Lindach gab es ein Schulhaus, in das sowohl die evangelischen wie die katholischen Kinder zum Unterricht gingen. Zuvor hatten die Katholiken die Schule in Zwingenberg besucht. Ein Rathaus hatte Lindach früher noch nicht, der Ortsarrest befand sich in einem Privathaus.

Schon 1830 kennt man das Wappen mit der Linde in einem Gemeindesiegel.  Woher der Ortsname "Lindach" stammt, ist nicht eindeutig belegt. Vieles spricht für die sprachliche Kombination aus Linde und Ach, also Linde am Wasser. Stadtarchivar Dr. Lenz ist aber mit einer endgültigen Erklärung sehr vorsichtig.

Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts überlegte man, Lindach nach Eberbach einzugliedern. 1906 ging der Gedanke der Eingemeindung noch von Lindach selbst aus. Daraus wurde erst mal nichts. Mehrere Ansätze zwischen 1922 und 1935, den kleinen Ort nach Eberbach einzugliedern, scheiterten dann allerdings vor allem an der ablehnenden Haltung der Lindacher.

Am 1. Januar 1973 wurde das bis dahin selbstständige Dorf Lindach schließlich auf freiwilliger Basis als südlichster Stadtteil nach Eberbach eingegliedert und vom früheren Landkreis Mosbach dem neuen großen Rhein-Neckar-Kreis zugeschlagen.

Lindach hatte zum Zeitpunkt der Eingemeindung 200 Einwohner und 141 ha Fläche, davon waren 75  ha Wald. Das Dorf umfasste 50 Häuser und Stallungen. Es gab ein Rathaus mit Schule. Die Lindacher Bauern hielten zusammen 50 Rinder und 18 Schweine.

Die Einwohnerzahl ist bis heute konstant geblieben. Baugebiete wurden erschlossen, Kindergärten eingerichtet. Hinzu kamen der Ausbau der Wasserversorgung, die Erweiterung des Friedhofes und 1986 der Bau einer Friedhofshalle. Die Bahnlinie teilt Lindach. Die Zukunft fährt an Lindach nicht vorbei. Am kleinen Bahnhof hält alle Stunde die S-Bahn.

Lindach sicherte sich mit dem Eingemeindungsvertrag eine Reihe autonomer Rechte, darunter eine eigene Vertretung mit einem Ortsvorsteher. Die Freiwillige Feuerwehr ist inzwischen eine selbstständige Abteilung der Eberbacher Feuerwehr. Auf die Spritze aus Zwingenberg muss man schon lange nicht mehr warten.

INFO. Historisches Quellenmaterial: Stadtarchivar Dr. Rüdiger Lenz, Eberbach


2014 wurde gefeiert.

Luftbild von 2014.

Ortswappen und Ortsbrunnen.

Fotos/Repro: Rainer Hofmeyer
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