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Odenwald-Autobahn A 45

Die Planung der neuen Odenwaldautobahn

Als man die A 45 ab Aschaffenburg über Eberbach-Mosbach bis Stuttgart verlängern wollte

1969 - die geplante Trassierung.

Dezember 2020
Von Rainer Hofmeyer

Über eines war man sich im Klaren: Die Odenwaldautobahn wird kommen. Der Baustart war für 1972 eingeplant. Die Kosten waren fast schon sekundär. Noch nicht einig war man sich lediglich über die Trassenführung im Bereich Eberbach und Mosbach. Es ging um die A 45 - von Dortmund bis hinter Stuttgart.

Beginnend am Autobahnkreuz Dortmund-Nord-West, von wo aus sie heute bis in den bayerischen Raum führt. Zwischen Dortmund und Gießen heißt sie Sauerland-Linie. Dann Wetterau-Linie bis Aschaffenburg. Und ab Aschaffenburg sollte es in den Wäldern zwischen Michelstadt und Amorbach eben als neue Odenwald-Linie weitergehen. Einige dachten bei der Namensgebung schon großzügiger und weiter runter in den Süden: Da hieß die neue Strecke gleich Odenwald-Neckar-Alb-Autobahn (ONAA).

Tangierte Bundesländer: Hessen und Baden-Württemberg. Bis zum Erbacher Raum war man sich über die Streckenführung einig. Ab nordöstlich von Eberbach zeichneten die Planer zwei alternative Routen. Eine machte einen Bogen nach Osten und sollte dann näher an Mosbach vorbeiführen und den Neckar erst südlich Gundelsheim queren.

Das Land Hessen hatte Baden-Württemberg bereits 1968 diesen Vorschlag für diese östliche Nord-Süd-Trasse gemacht. Die Entwickler wollten sich dabei an einer Streckenführung parallel zum römischen Limes orientieren. Der Kreis Mosbach sprach sich im Herbst 1969 für diese Planung aus. Unterstützt wurde diese Linie vom Unterland um Heilbronn.

Das baden-württembergische Autobahnamt entwickelte in der Folgezeit eine westliche Alternative. Diese wäre näher an Eberbach gewesen. Die Strecke sah hinter Scheidental und Wagenschwend eine Brücke über das Seebachtal vor und hätte anschließend zwischen Neckargerach und Binau den Neckar überspannen sollen. Danach sollte über Mörtelstein eine Querung der Bundesautobahn 6 bei Sinsheim oder Bonfeld in den Stuttgarter Raum erreicht werden. Des Weiteren waren bei Mörtelstein und Wagenschwend Anschlussstellen vorgesehen.

Eberbach war für diese westliche Variante, links des Neckars. Zum einen wäre die Stadt näher an der Auffahrt gewesen, zum anderen wollte man die Bundesstraße 37 entlasten. Bei der A 81 nördlich von Ludwigsburg bis zur Einmündung in die A 8 Karlsruhe-Stuttgart nahe Esslingen war man sich wieder einig. Dort endeten beide Alternativrouten.

Das jeweils strategische Ziel in den konkurrierenden Städten Eberbach und Mosbach war seinerzeit: Sich strukturell besser zu stellen. Eberbach gehörte zum Landkreis Heidelberg, Mosbach war Verwaltungszentrum des nach ihm benannten Landkreises. Man glaubte auch in Eberbach noch an den weiteren Aufschwung. Der Fremdenverkehr stand hier im Mittelpunkt. Eberbach träumte sogar vom „Bad“ vor dem Städtenamen. Die Hotels waren ausgebucht, das Kurhaus schenkte Heilwasser aus, die Tagescafés waren jeden Sonntag stark besucht, volle Busse rollten in die Stadt.  

Die verkehrspolitische Maxime in den 1960er-Jahren hieß in der Bundesregierung: Zwanzig Kilometer bis zur nächsten Autobahn. Mobilität und Schnelligkeit, Nähe zur Wirtschaft waren die Devisen im Autoland. Deutschland sollte damals in erster Linie vertikal stärker mit Autobahnen durchzogen werden, in Nord-Süd-Richtung, die mit den ungeraden Nummern. Auch parallel zur Bergstraßenautobahn wurde westlich eine neue gebaut. West-Ost mit den geraden Nummern endete ja überwiegend noch am Eisernen Vorhang.

Am 29. Juli 1969 meldeten die Eberbacher Nachrichten der RNZ: „In Sachen Odenwaldautobahn: Trassierung noch strittig.“ Im Text hieß es bestätigend: „Fest steht nur: Sie wird gebaut.“ Die hauptsächliche Frage war, ob die Strecke im Mosbacher Raum westlich oder östlich des Neckars verlaufen sollte. In einer handgezeichneten, offiziellen Skizze konnte man die die Alternativen sehen.

Eine Entscheidung, ob westlich oder östlich fiel letztlich überhaupt nicht. Der zuerst vorgesehene Baubeginn 1972 der Odenwaldautobahn konnte nicht eingehalten werden. Nach anschließenden Planungen war eine Fertigstellung für 1980 avisiert. Dann kam es zu ersten Konflikten mit der Bevölkerung. Während viele Städte und Gemeinden das Straßenprojekt als wichtig einstuften, wehrte sich Neckargerach bereits 1970 gegen den Bau. Erst zwei Jahre zuvor hatte die Gemeinde die Anerkennung als Erholungsort erhalten, um die nun gefürchtet wurde.

Die geplante Anschlussstelle bei Wagenschwend wurde vom örtlichen Gemeinderat abgelehnt, da man negative Auswirkungen auf die Landwirtschaft befürchtete. Als auch in der Rems-Murr-Region Widerstand gegen die neue Autobahn 45 aufkam, wurde der Baubeginn auf 1985 verschoben.

Zum ersten Mal in der Bundesrepublik spürten die Planer ab 1969 Widerstand gegen ihre Ideen, immer mehr neue Straßen zu bauen. Landschaftsverbrauch, Lärm, Abgase und Gestank waren die Gegenargumente - schädliche Eingriffe in Natur und Landschaft. Einsprüche kamen nicht nur von den unmittelbar tangierten Gemeinden, sondern inzwischen auch aus dem nahen Raum und aus der gesamten Bundesrepublik. Die Behörden erstellten allenfalls Gutachten zur Umweltverträglichkeit, das globale Klima war seinerzeit noch kein Thema.

Die erste Ölkrise 1973 führte zu einem generellen Planungsstopp bei Großprojekten. Vier Jahre ruhten alle Ideen zum Autobahnbau. Ab 1977 wurde die Planung der verlängerten A 45 wieder aufgegriffen. Ein Baubeginn wurde jetzt für 1990 angedacht. Entlang der gesamten geplanten Strecke kam es in der Folge zu stark über den Landschaftsschutz begründeten Bürgerprotesten: Beflügelt hat man sich durch das nach ähnlichen Widerständen gescheiterte Bauprojekt einer Schwarzwaldautobahn bei Freiburg und einer Bodenseeautobahn, deren Aus 1984 endgültig besiegelt wurde.

Als Anfang 1979 die zweite Ölkrise ausbrach, ließ das Land Baden-Württemberg das Projekt endgültig fallen. Eine Odenwaldautobahn wird es wohl nie geben. Jetzt diskutiert man über Windparks im Odenwald und deren Landschaftsverbrauch.  In dieser Frage hat sich das früher gegnerische Lager des Autobahnbaus tendenziell eher zu Befürwortern entwickelt - vom Landschaftsschutz zum Klimaschutz.


Zusatz: Es wird kolportiert, dass in einer Variante geplant gewesen sei, die neue A 45 auf der Strecke der B 45, aus dem Gammelsbachtal kommend, über Pleutersbach hinwegzuführen. Dafür finden sich weder in den Archiven noch in den zugänglichen amtlichen Unterlagen oder in den Zeitungen entsprechende Hinweise.





Das vom Verkehrsminister Georg Leber geplante Gesamtnetz.

A 45 sollte die neue Autobahn heißen.

Eine östliche Variante.

Repros: Rainer Hofmeyer
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