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Fährboot "Frischling"

Eberbacher "Frischling" in Lampertheim am Rhein ein Hit
Das kleine Boot begeistert Fährverein - Zum Kuckucksmarkt wieder im Pendelverkehr

Einsatz beim Kuckucksmarkt.

Juli 2011
Von Rainer Hofmeyer

Während die Fähre "Frischling" in Eberbach am Neckar eher für Probleme im Haushaltsplan sorgte, ist das 60-Personen-Boot inzwischen in Lampertheim am Rhein ein Riesen-Hit geworden. Dort hat sich der Fährverein Nibelungenland des schwimmenden Eberbacher Eigentums angenommen und damit einen Fährbetrieb nach Worms und zurück aufgebaut. Am kommenden Kuckucksmarkt ist der "Frischling" dennoch für Eberbach im Einsatz.

Da zeigt sich, was Bürgerinitiative, Kreativität und Elan zu Wege bringen können. In Eberbach am Neckar ist das Fährboot "Frischling" eher nur eine Möglichkeit, von einem Ort zum anderen zu kommen. Einige Fließkilometer über Neckar und Rhein abwärts hat man sich daraus ein schwimmendes Event geschaffen.

Einer Gruppe Begeisterter im hessischen Lampertheim war nämlich es gelungen, den Eberbacher Stadtwerken den hier unrentablen "Frischling" abzuluchsen. In Eberbach Tansportmittel der Verkehrsbetriebe, in Lampertheim Teil des wieder aufgelebten heimischen Brauchtums.

Schließlich war die schon seit dem Jahr 858 verbriefte und sogar im Nibelungenlied berühmte Fährverbindung zwischen der Spargelstadt Lampertheim und der Nibelungenstadt Worms vor 135 Jahren eingestellt worden.
In der hessischen Kleinstadt wird das Fährboot als "eine Sensation" gefeiert. In Presse, Funk und Fernsehen ist über den "Frischling" in Lampertheim in diesem Jahr schon mehr berichtet worden als in seiner Eberbacher Zeit über zwanzig Jahre.

Auf der Suche nach einem Boot war der Lampertheimer Fährverein auf den Neckarsteinacher Bootsbauer Ebert gestoßen. Der ist auf kleine Wasserfahrzeuge spezialisiert und hatte den "Frischling" 1990 gebaut. Von dort erhielten die Lampertheimer Brauchtumspfleger den Hinweis auf die Eberbacher Fähre. Die fuhr inzwischen nicht mehr regelmäßig und fristete im Oberwasser der Rockenauer Schleuse langweilige Ruhepausen.

Mit den Eberbacher Stadtwerken SWE wurde man vertraglich einig. Schon 2007 wurde der "Frischling" nach Lampertheim geholt und diente dort ab 2008 dem Verein für gelegentliche Probefahrten. Für den Fährbetrieb galt es aber, noch einige Klippen zu umschiffen.

Begeisterung und Ehrgeiz der Lampertheimer haben alle technischen und bürokratischen Hürden für die Zulassung eines Fährbetriebes überwinden lassen. In diesem Jahr wurde endlich der lange gehegte Traum von der Fähre wahr. Im Alten Hafen von Lampertheim musste eine Anlegestelle geschaffen und zugelassen werden. Ein kommerzielles Rhein-Schifffahrts-Unternehmen gestattet das Anlegen des "Frischlings" auf der Wormser Seite. Das Wasser- und Schifffahrtsamt Mannheim hatte das Ganze auch noch zu genehmigen.

Mitte April startete der regelmäßige Lampertheimer Fährbetrieb, vorerst nur samstags nachmittags und an Feiertagen. Sonderfahrten kann man zusätzlich buchen. Und dies ist derzeit oft der Fall. Gerade jetzt wird wieder von einer Sonderfahrt für ausländische Schulklassen berichtet. Für 2011 erwartet der Verein eine schwarze Null in den Fährbilanzen.

Wer meint, ein Fährschiff würde nur für weltliche Entspannung sorgen, kennt die Leute im Nibelungenland nicht: Vor einem Monat wurde schon der zweite Lampertheimer Gottesdienst auf dem Altrhein gefeiert, zu dem die örtliche Martin-Luther-Gemeinde einlud.

Die Zulassung des "Frischlings" läuft weiterhin auf die Stadtwerke Eberbach. Klar, dass somit noch einige Eberbacher Insignien über den Rhein fahren. Vorne am Bug weht das Blau-Weiß der Stadtfarben mit dem Eber-Wappen. Und am Boot selbst sind auch noch die Stadtwerke Eberbach als Eigentümer ausgewiesen. Schließlich ist der "Frischling" ja nur ausgeliehen.

Zu "treuen Händen" übergeben, darf das Eberbacher Alu-Boot fast das ganze Jahr den Rhein queren. Den Unterhalt trägt der Lampertheimer Verein. Ihm gehören dabei aber auch alle Einnahmen. Die mehr oder weniger einzigen zusätzlichen Eberbacher Bedingungen an die Hessen: Zum Frühlingsfest und an den fünf Kuckucksmarkt-Tagen muss der "Frischling" zwischen der Stadt- und der Wimmersbacher Seite pendeln.

Zweimal im Jahr tritt Fährführer und 2. Vereinsvorsitzender Werner Reuters aus Lampertheim mit dem "Frischling" eine jeweils acht bis zehn-stündige Flussfahrt über sechs Schleusen vom Alt-Rhein zum Eberbacher Fähranleger und zurück an. Für einen regulären Straßentransport ist das Boot mit 3,5 Metern zu breit.

Reuters hat das Fährmannspatent für den Rhein und eine extra Prüfung für Eberbach abgelegt. Den Schichtdienst zum Kuckucksmarkt, bei dem jährlich rund 20.000 Fahrgäste erwartet werden, übernehmen neben Reuters sechs geprüfte Fährführer. Dazu kömmen noch Helfer und Kassierer, alle unter der Lampertheimer Regie.

Ganz schön pfiffig: die Fährführer sind Eberbacher aus der heimischen Schifferzunft, gleichzeitig aber auch alle Mitglieder im Lampertheimer Fährverein. Und kommen die Lampertheimer ihrer Verpflichtung nach, Eberbach zwei Mal im Jahr die vertraglich zugesagte Fährverbindung zu bedienen. 


Ergänzung: Ab 2012 wurde der regelmäßige Fährbetrieb am Rhein eingestellt. Der Einsatz des "Frischlings" zum "Eberbacher Frühling" findet heute nicht mehr statt.
 


Der "Frischling" in Lampertheim.
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