Neuer Text

120. Jahrgang der Eberbacher Zeitung

Vom Untertitel zum großen Zeitungsnamen
Die Eberbacher Zeitung zählt jetzt den 120. Jahrgang  - Verzwickte Geschichte

Der Stadt- und Landbote bestimmt kurioserweise die Zählung der Eberbacher Zeitung.

Januar 2012
Von Rainer Hofmeyer
 

Die Eberbacher Zeitung verzeichnet augenblicklich ihren 120. Jahrgang. Aber das mit dem 120. Jahrgang stimmt erst dann, wenn man sich am heutigen Untertitel der Eberbacher Zeitung orientiert. Der heißt Stadt- und Landbote und stand früher für ein eigenständiges Lokalblatt. Mit dem ersten "StaLaBo" beginnt nämlich die Jubiläums-Statistik. Wenn man der Spur dieser Zählweise nachgeht, öffnet sich ein ganz interessantes Kapitel der Stadtgeschichte.

Eigentlich ist die Sache doch ganz klar und eindeutig. Da steht im Titel der vorliegenden Eberbacher Zeitung, dass es 2012 den 120. Jahrgang gibt. Und so meint man, aus diesem Anlass wäre der geschichtliche Rückblick auf die heute vielen Eberbachern liebgewordene tägliche Postille mit dem Kürzel EZ nur so etwas wie ein einfacher Ausflug in die Heimatchronik oder ein kurzer Gang ins Stadtarchiv.

Wenn man nur die Mathematik bemüht und die Jahre zurückrechnet, hat der Interessierte so leicht kein plausibles Ergebnis. Die lokale Eberbacher Zeitunghistorie ist nämlich ein klein wenig verzwickt. In der kleinen badischen Amtsstadt wechselten mehrfach die Namen der Blätter, ihre Besitzer und die Erscheinungsweise.

Im Hintergrund der Eberbacher Tageszeitungen standen einige wenige Männer, die Mitte des 19. Jahrhunderts den Informationshunger des interessierten bürgerlichen Publikums aus erster Hand stillen wollten. Die Eberbacher Zeitungsleute der frühen Stunde kann man an drei Fingern abzählen. Es waren und sind Namen, die immer wieder auftauchen: Wagner, vor allem Wieprecht und Krauth - allesamt von Beruf Drucker. Teilweise hat sich deren Familientradition bis in die jüngste Zeit erhalten oder sie dauert noch fort.

Nicht jeder wollte an seiner Zeitung groß verdienen. Ein gewisses Sendungsbewusstsein, die Möglichkeit, einen bestimmten politischen Einfluss zu nehmen, stand im Vordergrund. Zwar wollte man nicht große Politik machen. Über die Verhältnisse in der Stadt, über Handel, Gewerbe und Industrie sollte aber mit bestimmter Tendenz berichtet werden. Die überwiegende Ausrichtung, zumindest am Anfang: liberal oder auch national-liberal. Die Zeitungen in Eberbach waren ursprünglich im Grunde Ein-Mann-Betriebe: Verleger, Redakteur und Drucker in einer Person.

Am 29. Dezember 1863 brachte der aus Karlsruhe stammende Buchdrucker Carl Wagner in der Kirchenstraße, der heutigen Bahnhofstraße, die Probenummer des "Eberbacher Wochenblattes" heraus. Selbst im damals als freiheitlich beschriebenen Baden musste Wagner für die Druckerei erst einmal eine Lizenz beantragen. Das Blatt erschien zweimal in der Woche, beschrieb sich selbst als "der liberalen Richtung" zugewandt.

Im Jahr 1874 kam Joseph Wieprecht aus Cochem. Der kaufte das inzwischen schwächelnde Eberbacher Wochenblatt und titelte es sofort in Eberbacher Zeitung um. Wieprecht veröffentlichte sie erstmals am 3. Januar 1874. Er blieb der "ausgesprochen national-liberalen Richtung" von Wagner treu, wie er selbst zum Auftakt bemerkte.

Dreimal in der Woche erschien anfangs die Eberbacher Zeitung. Einen Tag mehr probierte Wieprecht ab 1887. Das war der Versuch, eine echte Tageszeitung zu drucken, auch aus Wettbewerbsgründen. Denn es gab inzwischen Konkurrenz. Schon 1893 ging Wieprechts Eberbacher Zeitung wieder auf den alten Dreier-Rhythmus zurück, schaffte aber 1924 das Ziel einer täglichen Erscheinungsweise.

Wieprecht  hatte ab 1. Oktober 1887 einen starken Wettbewerber durch den Stadt- und Landboten. An diesem Tag brachte der in Eberbach aufgewachsene Buchdrucker Wilhelm Krauth erstmals eben jene zweite Heimatpostille heraus, die sich im Laufe der Jahre zur Nummer eins in der kleinen Neckarstadt entwickeln sollte. Krauth hatte Drucker hatte in Mosbach gelernt, den Weg dorthin und zurück jede Woche zu Fuß gemacht. Ein energischer und zielbewusster Mann also.

Der Name Stadt- und Landbote war etwas sperrig, beschrieb aber, wer und was von dem Druckwerk angesprochen werden sollten: Eberbach und seine Umgebung, der entsprechende badische Amtsbezirk, der Neckar- und der Odenwaldkreis, Landwirtschaft und Gartenbau. Wilhelm Krauth machte sein Blatt immer stärker.

Fast 50 Jahre, bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 hatte Eberbach zwei Tageszeitungen: Die Eberbacher Zeitung und den Eberbacher Stadt- und Landboten. Dann setzte das Kesseltreiben gegen die konfessionelle und bürgerliche Presse ein und führte zu deren schrittweiser Aus- und Gleichschaltung. Als 1935 die Reichspressekammer mit ihrer radikalen Politik die Medienlandschaft bereinigte, hatte Joseph Wieprechts Sohn Hermann nur noch die Möglichkeit, sich mit Krauth und dessen Stadt- und Landboten zusammenzutun, um einer zwangsweisen Schließung des eigenen Verlages zuvorzukommen.

Am 31. Mai 1935, nach mittlerweile 63 Jahrgängen in der Hand der Familie Wieprecht, erschien die letzte Ausgabe der Eberbacher Zeitung. Bis kurz vor Kriegsende berichtete nur noch der Stadt- und Landbote in seinem Lokalteil über das heimische Geschehen. Die politischen Meldungen waren ohnehin zentrale Propaganda. Der StaLaBo, wie er später wohlmeinend abgekürzt wurde, trug bereits seit der Vereinigung mit Wieprecht ab 1. Juni 1935 im Kopf der Deckseite den Untertitel Eberbacher Zeitung.

Ende 1943 stellte der Stadt- und Landbote sein Erscheinen ein. Fünf Jahre lang erschien in Eberbach überhaupt keine lokale Presse. Dann startete der Stadt- und Landbote am 12. Juli 1949, weiterhin im Verlag Wilhelm Krauth, an vier Wochentagen wieder eine regelmäßige Ausgabe. Die volle Erscheinungsweise über die ganze Woche folgte 1954.
"Lese jeden Tag Deine Heimatzeitung" war die der heimischen Sprache angepasste Werbung des StaLaBo. Das Blatt war eine sogenannte Mantel-Zeitung. Der Lokalteil und der Sport hatte eine eigene Redaktion in Eberbach. Politik und überregionaler Teil wurden täglich bei der Südwest-Presse Ulm hergestellt und als fertige Pappdruckformen mit dem ersten Eilzug nach Eberbach verfrachtet.

Dann erst konnten der Druckstock gegossen und die Ausgabe aufgelegt werden. Das hatte aber auch Vorteile: der Stadt- und Landbote nahm teilweise noch aktuelle Meldungen vom frühen Morgen oder der Nacht auf. Gegen 9 Uhr am Morgen war der Druck erst fertig. Die Zeitungsausträger konnten lange schlafen.

Eine modernere Optik verschaffte sich der Verlag Wilhelm Krauth im Jahr 1964. Da rückte der Untertitel "Eberbacher Zeitung" im Kopf zum großen Zeitungsnamen nach oben. Das war auch lokalpatriotischer. Der bäuerlich klingende Titel Stadt- und Landbote fiel eine Zeile runter. Man rechnete in den Zeitungs-Jahrgängen aber weiterhin nach der Zählweise des Stadt- und Landboten weiter, auch wenn die Gazette jetzt Eberbacher Zeitung hieß.

Im Jahr 2009 ging die Eberbacher Zeitung vom Verlag Wilhelm Krauth an die Neckartal Printmedien GmbH & Co. Das Konzept dieses Verlages ist das gleiche geblieben. Wie zu alten Zeiten kommt der politische und überregionale Mantel von der Südwestpresse Ulm, inzwischen elektronisch übermittelt und schon spätabends für den Nachtdruck verfügbar. Die lokale Berichterstattung verantwortet eine örtliche Redaktion.

Wenn jetzt bei der Eberbacher Zeitung  der 120. Jahrgang zählt wird, dann ist es die Geschichte des Verlages Krauth, die den Ausschlag gibt. Im Jahr 1887 startet diese Statistik mit der ersten Ausgabe des Stadt- und Landboten, minus 5 Jahre Unterbrechung nach dem Krieg. Macht bis heute 120. So stimmt die Rechnung.

1874 zum ersten Mal herausgegeben. Im Dritten Reich mit dem StaLaBo fusioniert.

Wilhelm Krauth gab die Konkurrenz Stadt- und Landbote heraus, der die Eberbacher Zeitung einverleibte.

Der Jahrgang 120 zählt mit dem Stadt- und Landboten.

Die erste Ausgabe der Eberbacher Zeitung - Daran orientiert sich heute die Zählweise nicht.

Fotos/Repros: Rainer Hofmeyer
Share by: