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1971: Einsturz im Scheuerberg-Tunnel

25 Gleisarbeiter gerade noch gerettet

26. Oktober 1971: Bei Bauarbeiten lockert sich das Gewölbe - Berggebiet zeitweise gesperrt
Der Einsturz im Inneren des Tunnels.

Oktober 2011
Von Rainer Hofmeyer

26. Oktober 2011. Ein Knirschen in der Decke. Im spärlich beleuchteten Tunnel. Um 2:48 Uhr hörte der Zugbegleiter einer Arbeitslok das Unheil von oben kommen. Gerade noch rechtzeitig konnten 25 Gleisarbeiter gewarnt werden, die sich alle wohlbehalten retten konnten. Sekunden später stürzte ein Teil des der Scheuerberg-Tunnels nahe der Einfahrt Odenwaldstraße ein. Die Bahnstrecke Eberbach-Neckarelz war anschließend für zwei Monate lahmgelegt. Ursache des Unglücks vor genau 40 Jahren: Gleisarbeiten zur Elektrifizierung der Neckartalbahn.

Anfangs war man noch bange um mögliche Opfer. Doch bald hatte sich herausgestellt: Nicht nur die Arbeiter im Tunnel konnten sich vor dem Einsturz retten. Und nur vorsorglich mussten sechs Familien in der Nacht aus ihren oberhalb des Tunnels liegenden Wohnungen evakuiert werden. Die Gebäudeschäden hielten sich am Ende in Grenzen.

Das war eine Aufregung in Eberbach. Das Unglück sprach sich am Morgen des 26. Oktober 1971 wie ein Lauffeuer in der Neckarstadt herum. Viele Einheimischen wollten sich vor Ort ein Bild vom Geschehen machen und besuchten die damals noch schmale Bahnbrücke in der Odenwaldstraße. Viel zu sehen gab es nicht: Die Einsturzstelle lag etwa 200 Meter vom Tunneleingang zurück.

Rundfunk und Fernsehen berichteten in Reportagen von der Unglücksstelle. Das Eberbacher Unglück und damit verbundene Zugausfälle wurden in den Hauptnachrichten des damals noch für Nordbaden zuständigen Süddeutschen Rundfunks gemeldet. Die Deutsche Bundesbahn musste ihren Neckartal-Fahrplan umstellen.

Für den Herbst 1972 war die erste Fahrt einer E-Lok durch das Neckartal geplant. Die Strecke zwischen Heidelberg-Karlstor und Heilbronn sollte elektrifiziert werden. Aber das Profil der Neckartal-Tunnel war für die zusätzliche elektrische Oberleitung zu niedrig. Da man nur schlecht den Querschnitt der Bahnröhren vergrößern konnte, entschloss man sich, den Gleisboden in den Bahnröhren abzusenken, um die notwendige lichte Höhe zu erreichen.

Darin lag auch die eigentliche Ursache für das Unglück im Scheuerberg. Etwa einen Meter musste für die Elektrifizierung an der Schadensstelle das Gleisbett bei den laufenden Arbeiten abgesenkt werden. Im Bereich des Tunnel-Einsturzes war der Boden aber auch nach der Seite entsprechend ausgehölt. Die Seitenkräfte im Berg drückten das Erdreich in die Mitte und rissen das Gestein von oben nach. Dies war die Kettenreaktion, die zum Einsturz führte.
Zwar sprachen Eberbacher Gerüchte anfangs davon, dass es im Scheuerberg Sprengungen gegeben hätte. Doch dieser Grund war abwegig. Derlei gefährliche Aktionen waren bei der bloßen Absenkung des Gleisbodens weder angebracht noch notwendig.

Wären Arbeiter der im Tunnel eingesetzten Offenburger Gleisbaufirma verschüttet worden, hätte das unweigerlich schlimme Folgen gehabt. Da wäre ein Freibuddeln nur schwer möglich gewesen. Auch wäre so schnell kein Bergungsgerät vor Ort herangeführt worden. Etwa 300 bis 400 Kubikmeter Steine und Erde wurden auf die beiden Gleise geschüttet. Hohlräume gab es in dem riesigen Geröllhaufen nicht.

Kurz nach der ersten Unglücksmeldung an den Polizeiposten liefen gegen 3:10 Uhr die Maßnahmen an. Die Eberbacher Polizei musste durch Beamte aus Neckargemünd verstärkt werden. Schließlich war weder das unmittelbare Ausmaß des Einsturzes bekannt, noch waren die Folgeschäden in den Häusern oberhalb des Tunnels zu überblicken. Schließlich führt das Gässel direkt über die Tunnelröhre. Und da galt es im ersten Ansatz, Vorsicht walten zu lassen.
Gegen 3:50 Uhr wurden die Anwohner der Odenwaldstraße, der Scheuerbergstraße und im Gässel über Polizeilautsprecher informiert. Das Gässel wurde sogar fürs Erste komplett gesperrt, die Scheuerbergstraße für Fahrzeuge über 1,5 Tonnen verboten.

Die Folgen des Einsturzes wirkten noch Monate nach. Sachverständige forschten nach dem Grund  des Einsturzes und schlugen die notwendigen Reparaturmaßnahmen vor. Die Schadensstelle wurde abgestützt. Da man die Ursache doch relativ präzise auf die Aushöhlung zurückführen konnte, liefen die Arbeiten im insgesamt rund 570 Meter langen Scheuerberg-Tunnel bald wieder flott an den unbeschädigten Stellen weiter. Die Einsturzstelle blieb nach den Stützmaßnahmen und der Erneuerung der Decke bis heute stabil.

Für Züge aus Heidelberg war während der Tunnelsperre im Eberbacher Bahnhof rund zwei Monate lang Endstation. Von Eberbach aus ging es mit täglich sechs zusätzlichen Bahnbussen weiter bis Neckargerach.

Auf dem Bahnhofsvorplatz regelten Bahnpolizisten aus Heidelberg zeitweilig den Verkehr. Die Neckartalbahn war im Scheuerbergtunnel nach zwei Monaten wieder frei. Und das ansonsten so beschauliche Eberbach war Ende Oktober vor vierzig Jahren gerade noch so an einer Katastrophe vorbei geschrammt.

INFO. Die neue Neckartal-Eisenbahnlinie wurde am 24. Mai 1879 eröffnet. Der Scheuerberg-Tunnel ist  rund 570 Meter lang. Die Baukosten für den neu zu grabenden Tunnel betrugen seinerzeit  473.856 Mark. Die Bauzeit war 15 Monate. Der Durchstich durch den Scheuerberg ließ die zahlreichen inner-städtischen Eberbacher Brunnen versiegen, weil die wasserführenden Strecken im Berg abge-chnitten wurden.




Hilfsfahrzeuge vor dem Tunnel.

Fotos: Rainer Hofmeyer
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