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Nicht jeder blieb ein Ehrenbürger

Die im Dritten Reich vergebenen Auszeichnungen wurden kassiert

Heute werden noch neun Ehrungen gezählt
Diese Ehrenbürger-Urkunde gestaltete der Eberbacher Kunstmaler Richard Hemberger. Die anderen zeichnet ein Karlsruher Grafiker und sind wohl vernichtet worden.

Februar 2014
Von Rainer Hofmeyer

Die höchste Anerkennung, die eine Stadt wie Eberbach verleihen kann, ist die Ehrenbürgerschaft. Nicht jede solche Auszeichnung hat allerdings die Demokratisierung des Gemeinwesens nach dem Kriege überstanden. Es ist im Augenblick die Zeit der Ehrenbürger der Stadt.

Der eine wurde dieser Tage 75, der andere feierte, wenn man so will, gerade gestern seinen 200. Und beim nächsten zählt man im Sommer die 110. Horst Schlesinger, Theodor Frey und Hermann Schmeißer sind die Männer der Stadtgeschichte, die in diesem Jahr ins kommunale Gedächtnis gerufen werden. 2012 war es Karl Emig mit seinem gleichfalls 110. Geburtstag. Zwei ehemalige Bürgermeister und dazu noch zwei Bürger, die über die städtischen Grenzen hinaus gewirkt haben.

Die Ehrenbürgerschaft ist ja wohl das Höchste, was eine Gemeinde vergeben kann. Das Recht dazu ergibt sich aus der Gemeindeordnung. Meist sind es Männer, selten oder gar nicht Frauen, wie in Eberbach, denen man meist zeitlebens noch zeigen will, wie sehr man ihren Einsatz für das Gemeinwohl schätzt. In der Bevölkerung freut man sich besonders, wenn bei einem offiziellen Anlass gleich vorweg ein noch lebender Ehrenbürger begrüßt werden kann. 

Es gibt viele Interpretationen, was denn eine Ehrenbürgerschaft bedeutet. Kostenlos ins Schwimmbad, freie Fahrt mit dem Stadtbus, wird oft fälschlicherweise gedacht. Auf jeden Fall aber gibt es ein städtisches Ehrengrab. Es bleibt also in erster Linie bei der Anerkennung des für die Stadt Geleisteten, ein hoher symbolischer Wert an sich: So ist in den Geschichtsblättern geschrieben, dass man das Schaffenswerk des Betroffenen für alle Zeiten anerkennen will. 

Die aktuelle Liste der Eberbacher Ehrenbürger zählt neun Namen. Begonnen wurde sie 1833. Der Kammerabgeordnete und Stadtdirektor Friedrich Theodor Schaaf erwirkte 1833 die Befreiung der Bevölkerung von den Frondiensten für die Leiningen‘schen Standes- und Grundherren und erhielt deswegen gleich die Ehrenbürgerschafts Eberbachs. Es folgten 1894 der Weinhändler Theodor Frey (wir berichteten), 1902 der Großherzoglich-Badische Forstmeister Emil Freiherr von Stetten-Buchenbach und der Neckartalbahn-Bauingenieur Otto Straub, dann 1908 Kommerzienrat und Bürgermeister Daniel Heinrich Knecht, 1927 Bürgermeister Dr. John Gustav Weiss, 1972 Bürgermeister Dr. Hermann Schmeißer sowie Bäckermeister Karl Emig sen. und 1996 Bürgermeister Horst Schlesinger. 

"Aktuelle Liste" im Zusammenhang mit der Aufstellung heißt, es hätte heute auch eine andere geben können. Die Aufzählung wurde nämlich bereinigt. Denn im Dritten Reich griff die Eberbach ganz gehörig in die Kiste der Ehrungen. Gleich vier Ehrenbürgerbriefe wurden da mit städtischem Stolz ausgestellt, an die man sich später lieber nicht erinnert sehen wollte. Reichskanzler und „Führer“ Adolf Hitler sowie Reichspräsident von Hindenburg erhielten die Ehrung wie wohl allüberall im Reich. Dem badischen Reichsstatthalter Robert Wagner und dem bayerischen Reichstatthalter Franz Ritter von Epp wurden hingegen die Ehrenbürgerbriefe mit besonderem Bedacht ausgestellt. 

Bei Robert Wagner, geborener Backfisch und aus Lindach stammend, überschlug man sich förmlich mit der ehrenden Eloge. Schließlich war der aus der Gegend und einem kernigen „fränkischen Bauerngeschlecht“ entsprungen, wie man die Herkunft des Nationalsozialisten der ersten Stunde in deren Diktion markierte. Die Vergabe war ein Selbstläufer: Die NSDAP stellte die einzige Ratshaus-Fraktion. Der Bürgermeister hieß damals Dr. Dr. Friedrich Wenz, hatte nichts zu sagen und wurde von den Nazis aus dem Amt gedrängt. Gauleiter und Reichsstatthalter Robert Wagner hat die dankbare Bürgerschaft am 26. März 1934 die Ehrenbürgerwürde bei einer großen Kundgebung auf dem Neuen Markt verliehen. Die Hände der Eberbacher reckten sich zum Hitlergruß. 

Man hat sich mit dem Ehrenbriefen auch optisch alle Mühe gegeben. Die Urkunden für von Hindenburg und Hitler zeichnet ein Karlsruher Grafiker. Der Eberbacher Kunstmaler Richard Herberger musste sein ganzes grafisches Können aufbieten, um beispielsweise die prächtige Urkunde für den neuen Ehrenbürger Franz Ritter von Epp zu gestalten. Der erhielt seinen Ehrenbürger-Brief von der „ehemals freien Reichsstadt“ am 16. Gilbhard 1938, „im sechsten Jahr des dritten Reiches“, zur Vollendung seines 70. Geburtstages. Selbst beim Ausstellungsdatum war man ganz deutsch: Gilbhard ist das germanische Wort für Oktober. Eine „freie“ Reichsstadt war Eberbach übrigens nie.

Man muss wirklich doppelt nachdenken, um des Ritters von Epp besondere Beziehung zu Eberbach zu erfassen. Franz Xaver Epp hieß der eigentlich, 1916 mit der Verleihung eines bayerischen Militär-Ritterkreuzes automatisch mit dem nicht vererbbaren Titel Ritter von Epp geadelt. Er war Berufssoldat, zuletzt General und von 1933 bis 1945 Reichsstatthalter in Bayern. Der Bezug zu Eberbach ergab sich nur durch seinen Vater, den in der Stadt geborenen Kunstmaler Rudolf Epp. Da man diesen als Sohn Eberbachs apostrophierte, machte man für Ritter von Epp im Ehrenbrief einen „Enkel der Stadt“ draus. Er habe sich „um das Vaterland hoch verdient“ gemacht, stand da als Begründung für die große Ehre. Für Eberbach selbst hat Ritter von Epp eigentlich nichts Gutes getan.

Der Vorschlag für die besondere Huldigung des nun auch mit der Ehrenbürgerschaft Erhöhten kam dieses Mal persönlich von dem Bürgermeister, der 1972 dann in seinem zweiten, demokratischen Leben selbst Ehrenbürger wurde: Das Stadtoberhaupt hieß von bis 1935 bis 1940 Dr. Hermann Schmeißer. Die Urkunde wurde Ritter von Epp am 30. Oktober 1938 überreicht. Der Rathauschef und sein erster Beigeordneter sind eigens nach München gereist.
Mit den Ehrungen der seinerzeitigen Größen einher gingen auch in Eberbach neue Straßenbezeichnungen.

In Eberbach notierte man selbstverständlich eine Adolf-Hitler-Straße (heute Itterstraße), einen Adolf-Hitler-Platz (Bahnhofsvorplatz) und eine Hindenburg-Straße (früher Kirchenstraße und Bahnhofstraße, heute Bahnhofstraße). Die Gartenstraße wurde 1938 nach Hermann Göring benannt. 

Am Neckar erstreckte sich die Schlageter-Anlage, benannt nach dem Freikorps-Mann Leo Schlageter, der 1923 nach einer Widerstandshandlung im damals besetzten Rheinland von den Franzosen hingerichtet worden war. Man erinnere sich, dass es auch eine Ritter-von-Epp-Siedlung gab. Diesen Namen hatte die Kleinhausanlage an der Friedrichsdorfer Landstraße beim Ohrsberg. Nicht aus Gründen der politischen Reinigung ändern musste man einen kleinen Gedenkstein: Richtung Dielbach fährt man noch heute an der „Stetten-Rampe“ vorbei.

Gleich nach dem Krieg hat das neue, demokratische Eberbach mit dem nationalsozialistischen Personenkult Tabula rasa gemacht. Die Ehrenbürgerschaften von Hitler, Hindenburg und des Ritters von Epp sowie von Robert Wagner wurden vom Gemeinderat in der Sitzung vom 15. März 1946 kassiert. Also ist die aktuelle Liste der Eberbacher Ehrenbürger eben nur noch neun Namen lang. 

Info. Historische Beratung: Stadtarchiv

von Hindenburg (links), Hitler und Robert Wagner (ganz rechts).


 Der kommissarische Bürgermeister Nenninger unterschreibt im März 1946 das Protokoll.

März 1934: Robert Wagner wird von einem SA-Mann die Ehrenbürger-Urkunde verlesen.

Der eine im Dritten Reich, der andere danach: Ehrenbürger Robert Wagner (M.) und Hermann Schmeißer (r. daneben).

Horst Schlesinger ist der derzeit "aktive" Bürgermeister.


Foto/Repros: Rainer Hofmeyer
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