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Erster Weltkrieg - Beginn 

Trompetentöne signalisierten den Beginn des Ersten Weltkriegs


Wie Eberbach die Mobilmachung feierte - Nach kurzer Zeit war das Turnhallen-Lazarett gefüllt – Der erste Gefallene der Stadt
Eberbacher Landsturm - Bürgermeister Weiss ist gerne gesehen (in Zivilkleidung).

1. August 2014
Von Rainer Hofmeyer

Vor genau 100 Jahren: Am 1. August 1914 trat das Deutsche Reich in den Ersten Weltkrieg ein. Die Stimmung in der heimischen Bevölkerung „war die beste“. An der Neckartal-Bahnlinie gelegen, wurde Eberbach bald zur Lazarettstadt. Wie die Neckarstadt die Kriegsjahre 1914-1918 erlebte. 

Die Bürger der Stadt waren gespannt wie allüberall im deutschen Lande. Seit dem tödlichen Attentat auf den österreichischen Thronfolger Franz-Ferdinand in Sarajevo am 28. Juni 1914 lag die Vorahnung eines Krieges über Europa. Das Ultimatum Österreich-Ungarns an Serbien, eine gerichtliche Untersuchung des Komplotts einzuleiten, verfolgten auch die Eberbacher über Wochen mit atemloser Spannung. 

Die Chronisten jener Tage berichten, dass sich Ende Juli in Eberbach die Auffassung verbreitet hatte, der Sturm würde bald losbrechen. Die Stadtverwaltung unter Bürgermeister John Gustav Weiss ging an ihre Pflichtaufgaben heran. Im Vorgriff auf einen Kriegseintritt wurde schon früh der Ersatz jedes einzelnen städtischen Beamten und sonstigen Bediensteten geregelt, der womöglich als Soldat einrücken musste. Der Gemeinderat entschied, den Beamten im Falle ihrer Einberufung das Gehalt unverkürzt weiterzuzahlen. Mit dem Eberbacher Frauenverein setzte man sich vorsorglich in Verbindung, wegen der Betreuung eines Lazarettes in der Stadt. 

Als erste sichtbare Zeichen, dass es jetzt ernst würde, zogen Bewachungsposten an der Neckartal-Bahnlinie auf, auf hessischem und auf badischem Gebiet. Und das, obwohl eigentlich noch keine konkrete Gefahr bestand. Eine stabsmäßige Vorbereitung war das also, man war auf alles gefasst.

Am frühen Nachmittag des 31. Juli lief beim Badischen Bezirksamt ein Telegramm ein: Der Kriegszustand wurde ausgerufen. Bürgermeister John Gustav Weiss erhielt eine Mappe mit den zentral vorbereiteten Anordnungen. Trompetenstöße riefen nur kurze Zeit später die Eberbacher auf den Straßen und Plätzen der Stadt zusammen, um sie aktuell über die Lage zu informieren. 

Diese erste Verlautbarung wurde in der Bevölkerung aber offenbar missverstanden. Denn es war lediglich die Verkündung des allgemeinen Kriegszustandes als eine Art Vorwarnstufe, und nicht schon die konkrete Bekanntgabe der Kriegserklärung - wie man dachte, an Russland. Noch am 31. Juli wurde eine Eberbacher Landsturmkompagnie aufgestellt und in das Landsturm-Infanterie-Bataillon Mosbach eingegliedert. Heute würde man eine solche Einheit „Heimatschutztruppe“ nennen; Landsturmeinheiten kamen aber auch als Ergänzung des regulären Heeres zum Kriegseinsatz. 

Die Eberbacher Kompagnie übernahm sogleich den Schutz der kriegswichtigen Bahnlinie. Schließlich sollte später über die Neckartalstrecke eine große Zahl Truppentransporte laufen. Einen Tag danach, am 1. August, kam gegen 6 Uhr am Morgen der Mobilmachungsbefehl. Wieder riefen die Trompeter die Eberbacher zu den Bekanntmachungen im Rathaus und an den Plätzen der Stadt. Auf den Anschlagstafeln fanden sich die Namen der "befohlenen" Soldaten wieder und das Datum ihres Einrückens. „Ich muss heut‘ Nacht noch fort“ - „Ich muss morgen abmarschieren“ - Die Dienstpflichtigen lösten sich aus den Menschenknäueln vor den Plakataushängen.

Euphorie im ganzen Land. „Die Stimmung in der Stadt war die beste“, registrierte die Stadtgeschichte. „Niemand war mutlos, und niemand zweifelte daran, dass das deutsche Heer, würdig seiner Siege von 1870, auch jetzt wieder den Sieg an seine Fahne heften werde“. 

Schon machte Flüsterpropaganda die Runde: Gerüchte über feindliche Anschläge gegen Verkehrs- und sonstige Einrichtungen in Städten des Reiches. Freiwillige stellten sich sogleich zur Bewachung der Eberbacher Neckarbrücke, des städtischen Gaswerkes und eines privaten Sprengstofflagers zur Verfügung. 

Der Großherzogliche Amtsvorstand - Eberbach war damals noch Sitz des Badischen Bezirksamtes - rief am 2. August den Ortsausschuss des Roten Kreuzes zusammen. Eine Spendensammlung wurde ins Leben gerufen. Unter Vorsitz von Bürgermeister Weiss wurde eine Lazarett-Kommission gebildet. Das Rote Kreuz verpflichtete sich, am Bahnhof eine Verbands- und Erfrischungsstation einzurichten. Das Männerhilfswerk organisierte eine Sanitätskolonne. Bei aller Vorbereitung und aller Weitsicht der badischen und Eberbacher Verwaltung: Das Lazarett in der damaligen Turnhalle mit seinen geplanten 30 Betten sollte erst später auf besonderen Befehl des Kriegsministeriums aktiviert werden. 

Der Großherzogliche Amtsleiter des Bezirks überbrachte schon mal die Zusage der Landgemeinden seines Zuständigkeitsbereiches: 5 000 Mark wollten sie zum Betrieb des Kriegskrankenhauses beitragen. Die übrigen Kosten übernahm die Stadtgemeinde Eberbach. Die Militärbehörde verpflichtete sich ihr gegenüber, einen festen Verpflegungssatz für jeden Verwundeten zu erstatten - und später die Wiederherstellung der Turnhalle in den ursprünglichen Zustand zu bezahlen. 

An der Germania auf dem Leopoldsplatz, dem Denkmal für den 1870er Krieg, gab es am Abend des 2. August eine kleine Abschiedsfeier für die Soldaten der Stadt. Die zur Fahne Gerufenen wurden mit Begeisterung auf den Krieg eingeschworen. Kreisturnwart Eiermann („Frisch, Fromm, Fröhlich, Frei“) hielt eine begeisterte Ansprache. Das „von den Vätern siegreich Errungene“ dürfe den Erben nicht wieder entrissen werden. Bürgermeister Weiss übermittelte „die wärmsten Wünsche“ der Stadtverwaltung und der Bevölkerung. Vaterlandsliebe und Siegeszuversicht allenthalben. Die Feuerwehrkapelle begleitete das Absingen patriotischer Lieder. Eberbach freute sich auf den Krieg.

In der Stadt wurde es in den nächsten Tagen lebhaft. Die Kriegsmaschinerie des Reiches lief an. Viele Truppentransporte rollten durch den Eberbacher Bahnhof. Auf den Straßen vor der Altstadt wurden Pferde gemustert. Sie waren seinerzeit ein wichtiges Transportmittel des Heeres. Jedes Extrablatt über den Kriegsverlauf brachte die Bevölkerung aus den Häusern: Von Neugier, Sensationslust, „helle Begeisterung für die nationale Sache“ wird berichtet. Manches junge Eberbacher Paar unterzog sich sogar noch schnell einer „Kriegstrauung“, ehe sich dann der frisch Vermählte auf zu seiner Einheit machte.

Fast mit jedem Zug rollten Rekruten und Freiwillige aus der Stadt - bald gab es keinen Überblick mehr, wie viele Eberbacher in den Krieg gezogen waren. Die großherzoglichen und städtischen Behörden hatten ihre Mitarbeiter ans Heer verloren und damit so manche Kontrolle über die Statistik. Viele der jungen Eberbacher Männer kamen auch wieder zurück: Wegen des immensen Andranges Freiwilliger konnten sie bei der Truppe nicht aufgenommen werden.

Solange es keine Verluste gab, war die Stimmung in der Stadt mehr oder weniger ungetrübt. Manche Geschäfte und Betriebe konnten aber bald nicht mehr im gewohnten Umfang arbeiten und produzieren. Die Preise für den täglichen Bedarf stiegen, zur Regulierung musste eine städtische Lebensmittelkommission eingesetzt werden. Es gab einen kurzzeitigen Ansturm auf die privaten Spareinlagen der Eberbacher Sparkasse, ehe Besinnung eintrat. Gemeinderat und Bürgerausschuss verfügten, dass die Sparanstalt 30 000 Mark aus früheren Überschüssen für Kriegsausgaben freigab. 

Wie sich das Kriegsglück gestaltete, zeigte sich im Zugverkehr am Eberbacher Bahnhof. Es galt ohnehin ein Kriegsfahrplan. Ging es anfangs mit frischem Mut in Richtung Westen, machten schon wenige Tage nach Kriegsbeginn immer mehr Verwundetentransporte dort Zwischenhalt. Die Frauen an der Verpflegungsstation beim Bahnhof hatten alle Hände voll zu tun. Die Bevölkerung spendete Tee, Brötchen oder Butterbrote und Zigarren. Bald rollten so viele Verwundete durch den Bahnhof, dass die Verpflegungs- und Erfrischungsstation in einen Verbandsplatz umfunktioniert werden musste.

Am 13. August kam denn auch schon der Befehl, das Lazarett in der Turnhalle einzurichten und in Betrieb zu nehmen. Und ehe es überhaupt fertig war, brach es unter den Spenden aus der Bevölkerung fast zusammen. Kleidungsstücke, Bettwäsche, Geschirr, Besteck. Aus Stadt und Land kamen Eier, Butter, Gemüse, Zigarren, Wein und Fruchtsäfte. Honoratioren der Stadt holten die Lebensmittel von den Dörfern der Umgebung mit ihren Automobilen ab.

Am 30. August wurden die ersten Verwundeten in der Turnhalle beim Bahnhof versorgt. 30 Soldaten waren es. Damit war das Krankenhaus ausgelastet. Und es sollten immer mehr Kriegsbeschädigte zur Behandlung nach Eberbach anrollen. Später mussten sogar 25 Betten im Hotel Krone-Post in Beschlag genommen werden. Selbst die Realschule wurde als Hospital mit 48 Krankenplätzen eingerichtet. Die Wirklichkeit des Ersten Weltkrieges erreichte die kleine badische Stadt Eberbach am Neckar, die nur einen Monat vorher noch so begeistert den Kriegsbeginn begrüßt hatte. 

Drei Wochen nach dem Start des Krieges wurde der erste „Heldentod“ eines Eberbachers gemeldet. Den 28jährigen Gewerbeschulvorstand Franz Bosch, 1886 in Karlsruhe geboren und seit 1912 in Eberbach, Vizefeldwebel im Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 40, traf beim Sturm gegen französische Alpenjäger am 21. August 1914 morgens um acht Uhr am Berg Donon in den Vogesen ein Querschläger ins Herz - Bosch war sofort tot. 

Mindestens 22 weitere Eberbacher Soldaten starben noch im ersten Kriegsjahr. Die Listen der jungen Eberbacher, die im Ersten Weltkrieg „im Kampfe für das Vaterland“ ihr Leben ließen, füllen viele Seiten der städtischen Chronik.

Die Germania als Symbol des Aufbruchs.

Truppenverpflegung am Bahnhof.

Ein Militärzug pausiert im Bahnhof (1914).

Foto/Repro: Rainer Hofmeyer
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