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Eberbacher Brunnen

Nach dem Bahnbau versiegten die Brunnen in der Stadt

Eberbacher und Bewohner der heutigen Stadtteile holten jahrhundertelang ihr Wasser aus den steinernen und bronzenen Wasserspendern
Ein Wanderbursche rasiert sich beim Alt'schen Brunnen gegenüber der Evangelischen Kirche.

April 2016
Von Rainer Hofmeyer

Wappenbrunnen vor dem Rathaus, Panbrunnen bei der Stadthalle, Fischerbrunnen hinter dem Thalheim’schen Haus. Drei Brunnen, die eigentlich jeder namentlich kennt. Doch ausgerechnet die sind neueren Datums. Die nahezu unzähligen alten Eberbacher Brunnen haben keine Namen. Ihr Standort war ausschlaggebend: Über die ganze kleine Stadt verteilt. Sie liefen in der Zeit, als die Häuser noch kein fließendes Wasser hatten - die Eberbacher Wasserversorgung der Stadtwerke wurde erst um 1888 ausgebaut. So holten die Menschen das kostbare Nass in Eimern vom nächstgelegenen Standort. Kinder löschten dort ihren Durst, und durchziehende Handwerksburschen pflegten sich mit dem quellfrischen Wasser. Eberbach war eine Stadt der Brunnen.


Allein sechs Brunnen im engeren Stadtgebiet wurden gezählt. Am Alten Markt vor dem Karpfen, wo seit 1893 keiner mehr steht. An der Hauptstraße, Ecke Brunnengasse, wo heute wieder Wasser in einen Trog fließt. Und zwar in den, der womöglich früher der Dorfbrunnen in Neckarwimmersbach war. Auch früher dazu gezählt: ein Brunnen an der Ecke Neuer Markt/Brückenstraße (Alt’scher Brunnen), einer auf dem Leopoldsplatz, einer im katholischen Pfarrgarten und der Kindelsbrunnen südwestlich der Katholischen Kirche. Es waren Brunnen mit laufendem Hahn oder solche mit einem Pumpenschwengel.

Das Wasser der Brunnen in der Eberbacher Innenstadt stammte zum aus Quellen am Scheuerberg. Das ausgeklügelte Versorgungssystem kam Ende des 19. Jahrhunderts in Gefahr. Denn der allgemeine Fortschritt, der Anschluss von Neckartal und Odenwald an die Welt von Handel und Gewerbe, verlangte seinen Tribut. Mitten durch den Scheuerberg-Hang sollte ab 1879 die neue Neckartalbahn führen. Dass durch den Tunnel die unterirdische Wasserführung beeinträchtigt würde, war von Anfang an klar. Es wurde deshalb sogar über ein Bahnviadukt beim Neuen Markt diskutiert. Damit wäre die Wasserversorgung nicht beeinträchtigt worden. Die schönere Optik siegte über die traditionelle Daseinsvorsorge und die natürlichen Gegebenheiten. Der Tunnel wurde durch den Scheuerberg getrieben. Der Wasserfluss wurde durchschnitten.

Mit großen ingenieurtechnischen Anstrengungen suchte man nach einer Lösung. Die Bevölkerung war immer noch auf die Brunnen angewiesen. Am Nordportal des Tunnels nahe der Odenwaldstraße wurde ersatzweise eine neue unterirdische Brunnenstube eingerichtet, von der aus das Wasser weitergeleitet wurde. Während das Scheuerbergwasser dereinst wohl am oberen Ende des Neuen Marktes in einer Brunnenkammer gesammelt wurde, floss es danach in einen neuen Verteilerraum bei der Evangelischen Kirche.

Die heute noch erhaltenen Planzeichnungen für eine Brunnenleitung am Tunnelportal bei der Neckarhälde zeugen von den Versuchen, die negativen Folgen des Bergeinschnittes für die Eberbacher Wasserversorgung zu minimieren. Zwei Brunnenstuben in der Vorstadt Richtung Grüner Baum besorgten das Wasser für mindestens zwei dort nahe Wasserspender.

Ab 1880 forderte die Bevölkerung zusätzliche Wasserstellen. Am Neuen Markt wurde daraufhin ein Brunnen aus Gusseisen errichtet. Weitere folgten in der Weidenstraße, in der Rosengasse und in der Luisenstraße. Der Brunnen an der Ecke Kellereistraße/Untere Badstraße kam ebenfalls hinzu - fast an der Stelle, wo er heute als originales Erinnerungsstück erhalten ist.

Bald waren die Brunnen jedoch überflüssig: Eberbach bekam Ende der 1880er-Jahre Wasserleitungen, die bis in die Häuser führten. Der seinerzeitige Schriftleiter des Eberbacher Geschichtsblattes Helmut Joho hat 1988 die ehemaligen Eberbacher Brunnen aufgelistet und durch alte Fotoaufnahmen dokumentiert. In den 1950er Jahren wichen immer mehr Brunnen dem Straßenverkehr. Mit der Sanierung der Altstadt und der Einrichtung der Fußgängerzone erinnerte man sich wieder an sie und schmückte damit das Stadtbild. Die Gesamtzahl aller 2005 noch erhaltenen Eberbacher Brunnen wurde vom städtischen Bauamt mit 36 gezählt.

Begeistert bei der Suche nach Brunnen in Eberbach und den Stadtteilen waren auch Altstadtrat Fred Henk (89) und Hannelore Eiermann. Vor drei Jahren machten sich die beiden auf eine mehrtägige Entdeckungsreise durch das Stadtzentrum und die Eberbacher Stadtteile. Kaum zu glauben, wie viele noch gut erhaltene Wasserstellen in ihrer Aufstellung „Eberbach und seine Brunnen“ zu finden sind. Acht Brunnen gibt es demnach noch heute in Brombach. Fünf Brunnen kann Pleutersbach aufbieten. In Rockenau fließen noch vier. Fast bescheiden steuern Friedrichsdorf, Gaimühle, Igelsbach und Lindach laut Henk’scher Liste je einen aktiven Brunnen bei.

Viele der Eberbacher Brunnen haben in den letzten Jahrzehnten neuen Schliff erhalten. Man hat gezeigt, dass es bei ihnen nicht nur um die einst praktische Wasserversorgung für die Bevölkerung geht. In den meisten Fällen hat ehrenamtliches Engagement dazu geführt, dass die Brunnen heute in der Innenstadt und den Stadtteilen wieder eine anheimelnde Atmosphäre geben. Dass die städtischen Verantwortlichen vor zehn Jahren einige Wasserhähne aus Kostengründen runterdrehten, gefiel vielen Eberbachern nicht. Eine Entscheidung, die inzwischen zum Glück revidiert wurde.

INFO. Eberbacher Geschichtsblatt 1988; Fred Henk - „Eberbach und seine Brunnen“ 2013


Brunnenpaten putzen Eberbacher Brunnen, hier in der Hauptstraße.

Ehemaliger Standort des Brunnens in der Oberen Badstraße. Jetzt ist er in der Kellereistraße.

Foto/Repro: Rainer Hofmeyer
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